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Ann-Katrin Raudszus
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HAMBURGER WIRTSCHAFT 05 / 16
MÄRKTE
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„Die Ausläufer der wirtschaftlichen
Krise sind immer noch wahrnehmbar,
aber es scheint ein Ende in Sicht zu sein“,
sagt Nico Aprile, der Geschäftsführer der
aprile consulting GmbH. Er erarbeitet un-
ter anderemKonzepte für Firmen, die sich
für deutsch-italienische Geschäftsbezie-
hungen interessieren. „Durch das Ablösen
Silvio Berlusconis und die Abschwächung
der mit seiner Wahrnehmung verbunde-
nen Vorurteile auf deutscher Seite wächst
das Vertrauen in die italienische Wirt-
schaft wieder“, betont der Berater.
Wichtige Aspekte der Arbeit der Re-
gierung unter Ministerpräsident Matteo
Renzi sind laut Aprile die Reformen von
Gesetzen, die den Arbeitsmarkt regeln,
sowie die Verschlankung der Bürokratie.
„Undurchschaubare Bestimmungen und
die starre Regelung des Arbeitsverhältnis
ses halten inländische und ausländische
Investoren davon ab, in Italien zu inves
tieren“, so der gebürtige Süditaliener.
Aus Hamburger Sicht war seine Hei-
mat trotz der Wirtschaftskrise immer ein
wichtiger Handelspartner. Mehr als 1000
Firmen aus der Stadt pflegen Geschäfts
beziehungenmit dem Land. Das führte im
letzten Jahr zu einem Außenhandelsum-
satz von 2,44 Milliarden Euro. Italien liegt
damit in der Liste der größten Außenhan-
delspartner Hamburgs auf Platz zwölf –
noch vor Spanien (13) und der Türkei (14),
aber hinter Belgien (10) und Brasilien (11).
Verglichen mit der Bedeutung Itali-
ens für den gesamtdeutschen Außenhan-
del – als sechstgrößter Außenhandelspart-
ner – ist aber noch viel Luft nach oben.
Waren im Gesamtwert von 58 Milliarden
Euro exportierte die deutsche Wirtschaft
2015 nach Italien. Hamburger Unterneh-
men exportierten aber lediglich Güter im
Wert von 1,03 Milliarden Euro.
Neben chemischen Erzeugnissen und
Datenverarbeitungstechnik fragen die Ita-
liener überwiegend elektronische und op-
tische Erzeugnisse nach. Nach Deutsch-
land dagegen werden Schiffe, Flugzeuge,
Kleidung und natürlich Wein exportiert.
Mit Autos und Maschinen handeln beide
Länder ebenfalls regelmäßig.
„Mailand, Turin und Genua waren
bisher als Industriedreieck bekannt“, er-
zählt Nico Aprile. „Doch inzwischen hat
das Nord-Ost-Gebiet Venetien / Friaul den
Platz von Genua eingenommen und ist
mit Rom und der Toskana eine der wirt-
schaftlich stärksten Regionen Italiens.“
Für den Berater ist klar: Wer Italien
nicht nur privat bereist, sondern beruflich
Fuß fassen will, der sollte auf keinen Fall
auf Vorurteile bauen. „Es gibt nichts Ge-
fährlicheres als die üblichen Generalisie-
rungen“, betont der 50-Jährige.
Und dass Voreingenommenheit auf
beiden Seiten die Chancen auf profitable
Geschäftskontakte zunichtemachen kann,
weiß er aus eigener Erfahrung. „Ich habe
mit italienischen Unternehmern gespro-
chen, die eine Niederlassung oder sogar
ihren Hauptsitz ins Ausland verlagern
wollten“, sagt Aprile. „Die einhellige Mei-
nung war, dass in Europa England der
beste Platz wäre. Deutschland wirkte eher
schwierig, wenig einladend und arrogant.“
Cristina Di Giorgio, Direktorin des
Italienischen Kulturinstituts Hamburg,
weiß auch, woran das liegt: „Hierzulande
gibt es hartnäckige Klischees über Italie-
ner“, erzählt sie. Dass ihre Landsleute ar-
beitsscheu seien und immer unpünktlich,
um nur zwei zu nennen. Bekannt ist ihre
Heimat allerdings ebenso für die italie
nische Lebensart als Sinnbild für Freu-
de, Genuss und Geselligkeit. „Das ist fast
wie eine Marke“, so Di Giorgio.
Egal, ob positiv oder negativ: Für die
Kontaktanbahnung wie auch im täglichen
Umgang mit Geschäftspartnern sind sol-
che Klischees eher hinderlich. „Sich davon
zu lösen ist ebenso wichtig, wie die Fähig-
keit, andere Mentalitäten als ebenso rich-
tig anzusehen, wie die eigene“, gibt Nico
Aprile zu bedenken.
Ein Fazit, dass – insbesondere im eu-
ropäischen Raum – aktueller ist, denn je.
„Beide Länder werden sich der Herausfor-
derung stellen müssen, ein neues Europa
zu entwickeln“, sagt Di Giorgio. „Einmulti
kulturelles, multireligiöses Europa.“
Vor 200 Jahren ist Goethes Reise-
bericht „Viaggio in Italia“ erstmals
erschienen. Anlässlich dieses Jubi-
läums gibt es von Juni bis Dezem-
ber Veranstaltungen zu diversen
wirtschaftsrelevanten Themen in
der Handelskammer, bei denen
Italiens Regionen näher beleuchtet
werden. Organisiert werden sie
gemeinsam mit dem Istituto Italiano
di Cultura Amburgo, dem Mercurio
– Deutsch-Italienische Wirtschafts-
vereinigung e. V. und der aprile con-
sulting GmbH. Die Auftaktveranstal-
tung zum Thema „Italien: Integration
und Bildung ausländischer Jugend-
licher“ findet am 3. Juni von 16 bis
18 Uhr im Hörsaal des Handels-
kammer InnovationsCampus statt.
Weiteres dazu finden Sie unter
www.hk24.de/veranstaltungenGoethe +200
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