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MONTAGE: RÜDIGER LAUKTIEN /STILKNECHT.DE; ILLU: ISTOCK /ROBODREAD

Ann-Katrin Raudszus

annkatrin.raudszus@hk24.de

Telefon 36138-563

HAMBURGER WIRTSCHAFT 05 / 16 

MÄRKTE

29

„Die Ausläufer der wirtschaftlichen

Krise sind immer noch wahrnehmbar,

aber es scheint ein Ende in Sicht zu sein“,

sagt Nico Aprile, der Geschäftsführer der

aprile consulting GmbH. Er erarbeitet un-

ter anderemKonzepte für Firmen, die sich

für deutsch-italienische Geschäftsbezie-

hungen interessieren. „Durch das Ablösen

Silvio Berlusconis und die Abschwächung

der mit seiner Wahrnehmung verbunde-

nen Vorurteile auf deutscher Seite wächst

das Vertrauen in die italienische Wirt-

schaft wieder“, betont der Berater.

Wichtige Aspekte der Arbeit der Re-

gierung unter Ministerpräsident Matteo

Renzi sind laut Aprile die Reformen von

Gesetzen, die den Arbeitsmarkt regeln,

sowie die Verschlankung der Bürokratie.

„Undurchschaubare Bestimmungen und

die starre Regelung des Arbeitsverhältnis­

ses halten inländische und ausländische

Investoren davon ab, in Italien zu inves­

tieren“, so der gebürtige Süditaliener.

Aus Hamburger Sicht war seine Hei-

mat trotz der Wirtschaftskrise immer ein

wichtiger Handelspartner. Mehr als 1000

Firmen aus der Stadt pflegen Geschäfts­

beziehungenmit dem Land. Das führte im

letzten Jahr zu einem Außenhandelsum-

satz von 2,44 Milliarden Euro. Italien liegt

damit in der Liste der größten Außenhan-

delspartner Hamburgs auf Platz zwölf –

noch vor Spanien (13) und der Türkei (14),

aber hinter Belgien (10) und Brasilien (11).

Verglichen mit der Bedeutung Itali-

ens für den gesamtdeutschen Außenhan-

del – als sechstgrößter Außenhandelspart-

ner – ist aber noch viel Luft nach oben.

Waren im Gesamtwert von 58 Milliarden

Euro exportierte die deutsche Wirtschaft

2015 nach Italien. Hamburger Unterneh-

men exportierten aber lediglich Güter im

Wert von 1,03 Milliarden Euro.

Neben chemischen Erzeugnissen und

Datenverarbeitungstechnik fragen die Ita-

liener überwiegend elektronische und op-

tische Erzeugnisse nach. Nach Deutsch-

land dagegen werden Schiffe, Flugzeuge,

Kleidung und natürlich Wein exportiert.

Mit Autos und Maschinen handeln beide

Länder ebenfalls regelmäßig.

„Mailand, Turin und Genua waren

bisher als Industriedreieck bekannt“, er-

zählt Nico Aprile. „Doch inzwischen hat

das Nord-Ost-Gebiet Venetien / Friaul den

Platz von Genua eingenommen und ist

mit Rom und der Toskana eine der wirt-

schaftlich stärksten Regionen Italiens.“

Für den Berater ist klar: Wer Italien

nicht nur privat bereist, sondern beruflich

Fuß fassen will, der sollte auf keinen Fall

auf Vorurteile bauen. „Es gibt nichts Ge-

fährlicheres als die üblichen Generalisie-

rungen“, betont der 50-Jährige.

Und dass Voreingenommenheit auf

beiden Seiten die Chancen auf profitable

Geschäftskontakte zunichtemachen kann,

weiß er aus eigener Erfahrung. „Ich habe

mit italienischen Unternehmern gespro-

chen, die eine Niederlassung oder sogar

ihren Hauptsitz ins Ausland verlagern

wollten“, sagt Aprile. „Die einhellige Mei-

nung war, dass in Europa England der

beste Platz wäre. Deutschland wirkte eher

schwierig, wenig einladend und arrogant.“

Cristina Di Giorgio, Direktorin des

Italienischen Kulturinstituts Hamburg,

weiß auch, woran das liegt: „Hierzulande

gibt es hartnäckige Klischees über Italie-

ner“, erzählt sie. Dass ihre Landsleute ar-

beitsscheu seien und immer unpünktlich,

um nur zwei zu nennen. Bekannt ist ihre

Heimat allerdings ebenso für die italie­

nische Lebensart als Sinnbild für Freu-

de, Genuss und Geselligkeit. „Das ist fast

wie eine Marke“, so Di Giorgio.

Egal, ob positiv oder negativ: Für die

Kontaktanbahnung wie auch im täglichen

Umgang mit Geschäftspartnern sind sol-

che Klischees eher hinderlich. „Sich davon

zu lösen ist ebenso wichtig, wie die Fähig-

keit, andere Mentalitäten als ebenso rich-

tig anzusehen, wie die eigene“, gibt Nico

Aprile zu bedenken.

Ein Fazit, dass – insbesondere im eu-

ropäischen Raum – aktueller ist, denn je.

„Beide Länder werden sich der Herausfor-

derung stellen müssen, ein neues Europa

zu entwickeln“, sagt Di Giorgio. „Einmulti­

kulturelles, multireligiöses Europa.“

Vor 200 Jahren ist Goethes Reise-

bericht „Viaggio in Italia“ erstmals

erschienen. Anlässlich dieses Jubi-

läums gibt es von Juni bis Dezem-

ber Veranstaltungen zu diversen

wirtschaftsrelevanten Themen in

der Handelskammer, bei denen

Italiens Regionen näher beleuchtet

werden. Organisiert werden sie

gemeinsam mit dem Istituto Italiano

di Cultura Amburgo, dem Mercurio

– Deutsch-Italienische Wirtschafts-

vereinigung e. V. und der aprile con-

sulting GmbH. Die Auftaktveranstal-

tung zum Thema „Italien: Integration

und Bildung ausländischer Jugend-

licher“ findet am 3. Juni von 16 bis

18 Uhr im Hörsaal des Handels-

kammer InnovationsCampus statt.

Weiteres dazu finden Sie unter

www.hk24.de/veranstaltungen

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