BÜCHER
HAMBURGER WIRTSCHAFT 05 / 16
BÜCHER
60
Kunst
Das Spiel mit den Klischees
Paul Bokelmann ist Ende 20 und ein Vertreter der „Generation
Praktikum“. Nach vielen schlecht oder gar nicht bezahlten Praktika
ist er nun Grafiker bei einer kleinen Werbeagentur. Während er ins
Berufsleben startet, haben sich Hildegard (68) und Rigobert (70)
schon in den Ruhestand verabschiedet. Sie war Chefsekretärin bei
einem Kaffeehändler, er arbeitete im Denkmalschutzamt. Und nun
genießen sie ihren Lebensabend mit Spaziergängen im Jenischpark
oder Besuchen auf dem Willkomm-Höft in Wedel. Paul, Hildegard
und Rigobert sind keine echten Menschen. Sie sind
„
Freakheads
“
,
20 Zentimeter große Knetfiguren, die bei einem Kunstprojekt entstanden sind. Manuela und
Marcus Tanzen haben all ihren Figuren eine für Hamburg typische Biografie mit auf den Weg
gegeben. Da gibt es den Matrosen und den Hafenarbeiter, den Hipster und den Autonomen,
das Kiezurgestein und den St.-Pauli-Fan, aber auch Hinrich D., den Obdachlosen.
Manuela und Marcus Tanzen: „Hamburg deine Freakheads“; KJM Buchverlag; Hamburg
2015; 128 Seiten; 16 Euro
Stadtteil
Im Schatten
von Ikea
Schöner shoppen in
der Großen Bergstra-
ße: Da gibt es den
Experten für Kachel-
öfen, einen Baklava-
Bäcker, eine Halal-Schlachterei und eine
Bilderrahmenfertigung. Auch das kleine
Reisebüro, der alteingesessene Tee- und
Kaffeehändler, der Spezialist für Schnei
dereibedarf und der Tante-Emma-Laden
von Bernd Heiser sind noch da. Dabei war
die Angst unter den Gewerbetreibenden
groß, als Ikea eine Filiale in der Großen
Bergstraße plante. Doch heute, gut zwei
Jahre nach der Eröffnung, kann man es
nicht anders sagen: Das Möbelhaus hat
Altonas Altstadt aus dem Dornröschen-
schlaf geweckt. Vera Stadie und Regine
Christiansen stellen 36 inhabergeführte
Geschäfte und Lokale aus der Straße vor.
Vera Stadie und Regine Christiansen:
„Hoodies, Hirschhornsalz und gute Worte.
Kleine Läden in der Großen Bergstraße“;
Bergstraßenreport GbR; Hamburg 2015;
86 Seiten; 8 Euro
Wanderführer
Auf in die Natur!
Überraschend viele
Tiere und Pflanzen
haben ihren Lebens-
raum in der Stadt. Wo
man sie findet, zeigt
dieser reich illustrierte
Band, in dem 30 Wanderungen beschrieben
werden. Auf genaue Karten wird verzichtet.
Dafür liefern die Autoren zahlreiche Erläute
rungen – samt Fotos – zu Tieren, Pflanzen
und Naturräumen wie Dünen oder Knicks,
also Wallhecken. Die Touren führen zu be-
kannten Ausflugszielen wie Alster und Elbe,
zum Duvenstedter Brook und in die Fisch
beker Heide. Doch auch weniger bekannte
Orte sind dabei, beispielweise der Rahlsted-
ter Friedhof, der Botanische Sondergarten in
Wandsbek und die Elbinsel Kaltehofe. Eine
geologische Tour führt zum Hygieia-Brunnen
zwischen Rathaus und Handelskammer und
an den Ratzeburger See. Auf einer anderen
Wanderung stehen Urban Gardening und
die Kirchturmbrüter in Ottensen im Fokus.
Felix Wolf: „Natur in Hamburg: 30 thema
tische Touren“; Junius Verlag; Hamburg
2015; 256 Seiten; 14,90 Euro
Krimi
Späte Rache
Wo hört die Realität auf? Und
wo fängt Fiktion an? Diese Fra-
gen stellte ich mir beim Lesen
von Klaus E. Spieldenners Krimi
unweigerlich schon nach weni-
gen Zeilen. Also schnell das
Smartphone rausgeholt und
gegoogelt. Gab es wirklich am
14. August 1981 einen Unfall auf
dem Hamburger Dom? Ja, den
gab es. Einen verheerenden
sogar. Sieben Menschen star-
ben als ein Teleskopkran mit
dem Karussell „Skylab“ kolli
dierte. Es ist dieses reale Ereig-
nis, um das sich Spieldenners
dann doch fiktive Geschichte
dreht. Der Bad Oldesloer holt
die Handlung allerdings nach
sieben Seiten ins Hier und Jetzt,
genauer gesagt ins Jahr 2015.
Der Inhaber der Geisterbahn
„Zombie Land“ wird tot aufge-
funden. Es folgen weitere An-
schläge auf den Sommerdom.
Die Kommissare Sandra Holz
und Alexander Schweiss neh-
men die Ermittlungen auf. Sie
stoßen auf eine Mauer des
Schweigens. Die Schausteller
auf dem Heiligengeistfeld ha-
ben offensichtlich Angst. Doch
wessen Rache fürchten sie?
Klaus E. Spieldenner: „Der Dom
trägt schwarz“; CW Niemeyer;
Hameln 2016; 368 Seiten; 11,95
Euro