HAMBURGER WIRTSCHAFT 05 / 16
TRENDS
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Andreas Müller
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freut sich, in der englischen Version auch
im Ausland, zunehmender Beliebtheit.
Bei Tabbt handelt es sich um ein so-
genanntes FinTech, ein Finanztechnolo-
gieunternehmen. So wird eine Gruppe
von Firmen bezeichnet, die mit innovati-
ven, verbraucherorientierten und techno-
logiebasierten Angeboten die Banken und
Finanzdienstleister mit ihren etablierten
Geschäftsmodellen herausfordert.
Vom Vergleichsportal Finanzcheck
über die Kreditplattform Kreditech bis
hin zum Zahlungsdienst Payever sind in
Hamburg FinTechs mit den unterschied-
lichsten Spezialisierungen ansässig. Sie
alle haben aber eines gemeinsam: Sie
konzentrieren sich in der Regel auf ein
oder zwei Bereiche. So können sie wen-
dig bleiben und schnell auf die Wünsche
ihrer Kunden reagieren.
Die Macher von Tabbt zeigen aller-
dings, dass die neuen und die etablierten
Player in der Finanzwelt nicht unbedingt
Konkurrenten sein müssen. So erzählt
Jan Michaelis: „Als nächsten Schritt pla-
nen wir die Kooperation mit einer Bank,
um weitere Finanzdienstleistungen in
Tabbt zu integrieren, die eine Banklizenz
voraussetzen.“
Banken können den FinTechs etwa
mit Wissen über Regulierungen, mit dem
Zugang zu Kunden oder Finanzierungen
helfen. Teilweise entwickeln die Start-ups
aber auch neue Lösungen für etablierte
Finanzhäuser, die dadurch von der Inno-
vationskraft der noch jungen Unterneh-
men profitieren können.
Zahlreiche Hamburger Finanzunter-
nehmen sind schon länger intensiv da-
bei, sowohl inhouse als auch über Koope-
rationen mit FinTechs für ihre Kunden
nutzenstiftende Innovationen zu imple-
mentieren. So ist man beispielsweise bei
der Privatbank Donner &Reuschel offen
für die Ideen der FinTech-Start-ups. „Die
Offenheit für Innovationen ist besonders
für Traditionsunternehmen wie uns ele-
mentar wichtig, um auch zukünftig er-
folgreich zu sein“, betont Vorstandsspre-
cher Marcus Vitt.
Sehr aktiv sind FinTechs unter an
derem im Bereich Crowdfunding. Exporo
zum Beispiel ist eine Crowdinvesting-
Plattform für Immobilien. Über das Por-
tal können Anleger bereits mit relativ
„Wir planen die
Kooperation mit
einer Bank, um
Dienstleistungen
in Tabbt zu inte
grieren, die eine
Banklizenz voraus
setzen“
Mit der App Tabbt hat man immer im Blick,
wer im Freundes- und Familienkreis für
was bezahlt hat
JAN MICHAELIS
mit Lucas Romero (re.),
Entwickler der App Tabbt
kleinen Beträgen in Immobilienprojekte
investieren. In Zeiten von Niedrigzinsen
auf Tagesgeldkonten und Co. kann sich
Julian Oertzen, Mitglied des Vorstands
der Hamburger Exporo AG, über eine
mangelnde Nachfrage von Anlegern nicht
beschweren. Und für die Projektentwick-
ler ist das Crowdinvesting ebenfalls eine
willkommene Ergänzung zu den traditio-
nellen Finanzierungsinstrumenten.
„Projektentwicklern fiel die Finanzie
rung ihrer Vorhaben zunehmend schwe-
rer“, erzählt Oertzen. „Eine immer stren-
gere Regulierung – Stichworte Basel II
und III – mit verschärften Eigenkapital
anforderungen beschneidet die Möglich-
keiten, an Fremdkapital zu kommen,
stark.“ Da eine Investition über Exporo
als Nachrangdarlehen erfolgt, wird das
eingesammelte Kapital beim Ratingpro-
zess durch Kreditinstitute genauso wie
Eigenkapital bewertet. So bekommen die
Projektentwickler wiederum leichter ei-
nen Bankkredit.
Auch bei der nicht immer einfachen
Finanzierung ihrer eigenen Geschäfts-
idee können die Gründer von FinTechs
zunehmend auf die Unterstützung von
Investoren hoffen. So flossen laut Ernst
& Young 2015 weltweit rund 25 Milliar-
den Euro in die neuen Finanzunterneh-
men. Zum Vergleich: 2014 waren es nur
14 Milliarden Euro. Allein in Deutsch-
land hat sich das Investitionsvolumen
mehr als verdoppelt. Von 225 Millionen
Euro in 2014 ist es im letzten Jahr auf
etwa 576 Millionen Euro gestiegen.
Die Unternehmensberater von Ernst
& Young haben deutschlandweit 250 Fin-
Techs mit rund 13000 Mitarbeitern ge-
zählt. Dass in diesem Segment noch weit
mehr Potenzial liegt, davon ist Prof. Chris-
toph Ihl überzeugt. „Der FinTech-Bereich
steckt, beispielsweise im Vergleich zum
E-Commerce, noch in den Kinderschu-
hen. Das ist gut für Start-ups, weil sie so
mit relativ geringen Ressourcen noch Ni-
schen besetzen können“, sagt der Direk-
tor des Startup Dock der TUHH, der sich
sicher ist: „Wir können uns da noch auf
einige Überraschungen freuen.“
FOTOS: ULRICH PERREY, TABBT (2)