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HAMBURGER WIRTSCHAFT 05 / 16 

TRENDS

53

Andreas Müller

andreas.mueller@hk24.de

Telefon 36138-503

freut sich, in der englischen Version auch

im Ausland, zunehmender Beliebtheit.

Bei Tabbt handelt es sich um ein so-

genanntes FinTech, ein Finanztechnolo-

gieunternehmen. So wird eine Gruppe

von Firmen bezeichnet, die mit innovati-

ven, verbraucherorientierten und techno-

logiebasierten Angeboten die Banken und

Finanzdienstleister mit ihren etablierten

Geschäftsmodellen herausfordert.

Vom Vergleichsportal Finanzcheck

über die Kreditplattform Kreditech bis

hin zum Zahlungsdienst Payever sind in

Hamburg FinTechs mit den unterschied-

lichsten Spezialisierungen ansässig. Sie

alle haben aber eines gemeinsam: Sie

konzentrieren sich in der Regel auf ein

oder zwei Bereiche. So können sie wen-

dig bleiben und schnell auf die Wünsche

ihrer Kunden reagieren.

Die Macher von Tabbt zeigen aller-

dings, dass die neuen und die etablierten

Player in der Finanzwelt nicht unbedingt

Konkurrenten sein müssen. So erzählt

Jan Michaelis: „Als nächsten Schritt pla-

nen wir die Kooperation mit einer Bank,

um weitere Finanzdienstleistungen in

Tabbt zu integrieren, die eine Banklizenz

voraussetzen.“

Banken können den FinTechs etwa

mit Wissen über Regulierungen, mit dem

Zugang zu Kunden oder Finanzierungen

helfen. Teilweise entwickeln die Start-ups

aber auch neue Lösungen für etablierte

Finanzhäuser, die dadurch von der Inno-

vationskraft der noch jungen Unterneh-

men profitieren können.

Zahlreiche Hamburger Finanzunter-

nehmen sind schon länger intensiv da-

bei, sowohl inhouse als auch über Koope-

rationen mit FinTechs für ihre Kunden

nutzenstiftende Innovationen zu imple-

mentieren. So ist man beispielsweise bei

der Privatbank Donner &Reuschel offen

für die Ideen der FinTech-Start-ups. „Die

Offenheit für Innovationen ist besonders

für Traditionsunternehmen wie uns ele-

mentar wichtig, um auch zukünftig er-

folgreich zu sein“, betont Vorstandsspre-

cher Marcus Vitt.

Sehr aktiv sind FinTechs unter an­

derem im Bereich Crowdfunding. Exporo

zum Beispiel ist eine Crowdinvesting-

Plattform für Immobilien. Über das Por-

tal können Anleger bereits mit relativ

„Wir planen die

Kooperation mit

einer Bank, um

Dienstleistungen

in Tabbt zu inte­

grieren, die eine

Banklizenz voraus­

setzen“

Mit der App Tabbt hat man immer im Blick,

wer im Freundes- und Familienkreis für

was bezahlt hat

JAN MICHAELIS

mit Lucas Romero (re.),

Entwickler der App Tabbt

kleinen Beträgen in Immobilienprojekte

investieren. In Zeiten von Niedrigzinsen

auf Tagesgeldkonten und Co. kann sich

Julian Oertzen, Mitglied des Vorstands

der Hamburger Exporo AG, über eine

mangelnde Nachfrage von Anlegern nicht

beschweren. Und für die Projektentwick-

ler ist das Crowdinvesting ebenfalls eine

willkommene Ergänzung zu den traditio-

nellen Finanzierungsinstrumenten.

„Projektentwicklern fiel die Finanzie­

rung ihrer Vorhaben zunehmend schwe-

rer“, erzählt Oertzen. „Eine immer stren-

gere Regulierung – Stichworte Basel II

und III – mit verschärften Eigenkapital­

anforderungen beschneidet die Möglich-

keiten, an Fremdkapital zu kommen,

stark.“ Da eine Investition über Exporo

als Nachrangdarlehen erfolgt, wird das

eingesammelte Kapital beim Ratingpro-

zess durch Kreditinstitute genauso wie

Eigenkapital bewertet. So bekommen die

Projektentwickler wiederum leichter ei-

nen Bankkredit.

Auch bei der nicht immer einfachen

Finanzierung ihrer eigenen Geschäfts-

idee können die Gründer von FinTechs

zunehmend auf die Unterstützung von

Investoren hoffen. So flossen laut Ernst

& Young 2015 weltweit rund 25 Milliar-

den Euro in die neuen Finanzunterneh-

men. Zum Vergleich: 2014 waren es nur

14 Milliarden Euro. Allein in Deutsch-

land hat sich das Investitionsvolumen

mehr als verdoppelt. Von 225 Millionen

Euro in 2014 ist es im letzten Jahr auf

etwa 576 Millionen Euro gestiegen.

Die Unternehmensberater von Ernst

& Young haben deutschlandweit 250 Fin-

Techs mit rund 13000 Mitarbeitern ge-

zählt. Dass in diesem Segment noch weit

mehr Potenzial liegt, davon ist Prof. Chris-

toph Ihl überzeugt. „Der FinTech-Bereich

steckt, beispielsweise im Vergleich zum

E-Commerce, noch in den Kinderschu-

hen. Das ist gut für Start-ups, weil sie so

mit relativ geringen Ressourcen noch Ni-

schen besetzen können“, sagt der Direk-

tor des Startup Dock der TUHH, der sich

sicher ist: „Wir können uns da noch auf

einige Überraschungen freuen.“

FOTOS: ULRICH PERREY, TABBT (2)