Dezember 2020 / Januar 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 56 SCHIFFS GESCHICHTE Zwischen 1857 und 1926 wurden im Auftrag der Reederei F. Laeisz 83 Segelfrachter gebaut, die wegen ihrer Anfangs- buchstaben „Fly- ing P-Liner“ hie- ßen und zu den sichersten ihrer Zeit zählten. Vier davon sind erhal- ten, als einziges seetüchtig: die „Kruzenshtern“. Mit 115 Metern Gesamtlänge und 14,40 Metern Breite ist die Viermastbark „Peking“ allerdings größer. Der höchste Mast misst 51 Meter, ihr Tiefgang beträgt 7,24 Meter, die Segelfläche 4100 Quadratmeter. 31 Mann Besatzung erreichten damit Geschwindigkei- ten von 17 Knoten. 88 Jahre, nach- dem sie letztmals aus Hamburg ausgelaufen war, kehrte sie nun zurück und liegt restauriert am Hansahafen. „In ihrer über 100-jährigen Geschichte“, schwärmt Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, „hat sie 34Mal Kap Hoorn umrundet, zwei Weltkriege überstanden und gut 40 Jahre als Museumsschiff am Pier von Manhattan verbracht.“ Dort allerdings würde der P-Liner wie ihre Schwes- terschiffe „Pommern“ und „Passat“ womöglich noch immer vor sich hindümpeln, hätte Reinhard Wolf ein anderes Hobby zur Hauptbeschäftigung gemacht als Hamburgs schwimmendes Welterbe. Über Jachttörns hinaus ist der 68-jährige Jung von St. Pauli zwar nie zur See gefahren. „Aber ich hab’ mein Leben lang Hafenluft geschnuppert“, erklärt er eine Passion, die 1989 zur Obsession wurde. Damals kaufte Wolf zusammen mit anderen Hamburger Kaufleuten die „Schaarhörn“ und ver- setzte das Dampferwrack mithilfe Jugendlicher in den Urzustand von 1908. Zwischen 1997 bis 2015 setzte sich Reinhard Wolf auch in der Handelskammer für seine Herzensangelegenheit ein: „Als Bereichsleiter für Tourismus und Verkehr bedauerte ich, dass für Hafentouristen der Aspekt der maritimen Erleb- barkeit zu kurz kam. Mit der Stiftung Hamburg Ma- ritim nahmen wir uns vor, ein Exemplar von jedem für die Hafenhistorie repräsentativen Schiffstyp anzuschaffen.“ Als Wolf mit der Stiftung den Schoner „Nr. 5 Elbe“, den Schlepper „Fairplay VIII“ und den Frach- ter „Bleichen“ erwarb, wuchs indes nicht nur die Sammlung epochaler Schiffe aus Hamburg, son- dernmehr noch das Bedürfnis, damit eine Lücke zu füllen, die den Nautiker im Diplom-Kaufmann schmerzte: „Obwohl nach dem Hafen lange nichts kommt, was die Stadt im Ausland bekannt macht, fehlt ihr ein Schifffahrtsmuseum.“ Um dies zu ändern, brauchte er nur noch das fehlende Stück im Hafenpuzzle: die „Peking“. Also fuhr er 2002 nach New York, drittelte den Kaufpreis des Museumsschiffes auf 2,8 Millionen Dollar und gewann Sponsoren, um den 115 Meter langen Frachtsegler heimzuholen. Bis es 15 Jahre später so weit war, kam der „Hamborger Veermas- ter“ zwar buchstäblich in schwere Gewässer; doch just, als das Projekt zu scheitern drohte, zog Wolf die Kulturstaatsministerin an Land. Seither fördert Monika Grütters das „künftige Deutsche Hafenmu- seum“ und sein „Glanzstück deutscher Schiffbau- kunst“, wie sie die „Peking“ nennt, mit 185 Millionen Euro aus Bundesmitteln – und macht den Initiator zum „vielleicht glücklichstenHamburger“. Solche Gefühlsausbrüche sind beim Schiff- fahrtsreferent a.D. die Ausnahme. Wer ihm aufs frisch geplankte Prachtstück folgt, das im Auftrag der Stiftung Hamburg Maritim restauriert und An- fang September vor Abertausenden in den Hansa- hafen geschleppt wurde, wird jedoch vomWind der Geschichte erfasst. Während das Takelwerk die Herbstsonne in glühende Strahlen teilt, schrumpft die Elbphilharmonie beim Blick durch vier neue ImRahmen ihrer Sanierung erhielt die „Peking“ unter ande- rem neue Taue, Planken, Positionsleuchten und teilweise sogar Segel – alles originalgetreu 15 Jahre lang hat der ehemalige Handelskammer-Syndikus ReinhardWolf für die Rückkehr der „Peking“ nach Hamburg gekämpft

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