Februar/März 2021

WWW.HK24.DE 29 PERSÖNLICH JETTA FROST Anders als die Wirtschaft muss Wissenschaft un- mittelbare Verwertbarkeit zunächst nicht mitden- ken. In unserer forschungsorientierten Lehre wol- len wir Absolventinnen und Absolventen nicht nur mit Wissen, sondern Reflexionsvermögen über des- sen Anwendbarkeit in die Welt zu entlassen. Also mit der Kompetenz, Probleme zu lösen, die wir heutewomöglich noch gar nicht benennen können. Die Pandemie mit einem neuen Virus etwa. Genau. Neben Forschung und Lehre brauchen wir dazu den Wissensaustausch mit der Gesellschaft. Das ist Transfer. Wir beginnen gerade unsere Trans- fer-Agentur aufzubauen, die ihn befördern will: in Innovation und Gründung, kooperativer ko-kreati- ver Forschung, aber auch in Weiterbildung, Qualifi- kation und gesellschaftlichemEngagement. Wie verhindert man, dass Wissenschaft ökono­ misiert wird oder Wirtschaft verkopft? Den Widerspruch halte ich für konstruiert. Überm Hauptgebäude der Universität Hamburg steht nicht umsonst „Der Forschung. Der Lehre. Der Bildung“. Sie garantiert deren Freiheit durch Schutz vor Ver- zweckung oder Fremdbestimmung. Dazu gehört aber auch die Freiheit, unsere wissenschaftliche Ex- pertise Themen zu widmen, die auf eine praktische Anwendung zum Nutzen der Gesellschaft zielen, sei es ökonomisch, politisch oder kulturell. Umso mehr liegt es im Interesse der Wirtschaft, sich mit kurz- fristigem Interesse zurückzuhalten, bis einWissens­ pool entsteht, der zur Verknüpfung einlädt, im Sinne der Ko-Produktion vonWissen. Aber wann ist da dann der ideale Zeitpunkt zur innovativen Unternehmensgründung? DerWeg von der Grundlagenforschung zur Gründung ist lang. Damit Start-ups nicht nach kurzem Hype von der Bildfläche verschwinden, bietet zumBeispiel das Management Transfer-Lab unserer Fakultät For- mate an, in denen Studierende aller Fächer frühzei- tig Selbstständigkeits- und Gründungsperspektiven lernen. Außerdem arbeitet es in enger Abstimmung mit der Wirtschaftsbehörde an einem Dashboard, um Hamburgs Förderlandschaft übersichtlich abzu- bilden. Gemeinsam mit anderen Hamburger Hoch- schulen haben wir die Existenzgründungsinitiative StartupPort eingeworben.Wichtig ist es, die Schnitt- stellen der verschiedenen Streckenabschnitte sicht- bar zumachen und dafür Formate zu haben. Schnittstellen wie die Innovations Kontakt Stelle der Handelskammer? Ja, aber auch Einrichtungen wie Hamburg Innova- tion und das Gründungsnetzwerk beyourpilot. → PROF. DR. OEC. PUBL. JETTA FROST Geboren 1968 in Hamburg, stu- dierte BWL an den Universitäten Bamberg und Zürich. Seit 2004 ist sie Professorin für Organisation und Unterneh- mensführung an der Universität Hamburg und als deren Vizepräsi- dentin zuständig für das Ressort Transfer. For- schungsschwer- punkte ihres Arbeitsbereichs sind Management von Strukturen und Prozessen, innovative Orga- nisationsformen sowie das Verhält- nis Theorie-Praxis in der Manage- mentforschung. Sie engagiert sich imWissenstrans- fer und begleitet Unternehmen und öffentliche Orga- nisationen wissen- schaftlich bei Strategie- und Re-Organisati- onsprojekten. Zählt dazu auch die Handelskammer-Initiative „Hamburg 2040“, an der Sie teilnehmen? Unbedingt. „Hamburg 2040“ sorgt für unkompli- zierte Begegnungsmöglichkeiten und ist damit ein weiterer Knotenpunkt. Von denen es allerdings noch mehr geben könnte. An Wissenschaft wird gern mal kritisiert, sie säße im Elfenbeinturm. Wir haben ihn verlassen, wünschen uns aber, dass die Wirtschaft noch öfter Türen öffnet, um Problemlagen der Un- ternehmenspraxis auch beforschen zu können. Sind verschlossene Türen für das Nord-Süd- Gefälle bei Innovationen verantwortlich? Das Nord-Süd-Gefälle wird oft daran festgemacht, dass der Anteil der Ausgaben der Hamburger Wirt- schaft für Forschung und Entwicklung nur 1,24 Pro- zent am Bruttoinlandsprodukt beträgt. Das könnte Wissensaustausch und Technologietransfer schwe- rer machen, weil für die Aufnahme von Impulsen und Ideen aus der Wissenschaft auch eine entspre- chende absorptive Kapazität erforderlich ist. Erfolg- reicher Transfer funktioniert schließlich nicht als „Click & Collect“. Aber die gute Nachricht: Das Mit- telstandsportal DDW hat für Hamburger Unterneh- men Chancen in Wachstumsfeldern identifiziert, also viel Potenzial, um gemeinsam über Wege aus und nach der Corona-Krise zu kooperieren. Wie fördern Führungskräfte Innovation? Indem sie beherzigen: Kreativität kann man nicht verordnen. Entrepreneurial Leadership erzeugt eine Atmosphäre, die kreative Selbstwirksamkeit fördert. Selbstwirksamkeit alsGlaube andie eigenenFähigkei- ten kann durch positive ErfahrungenundVorbilder, vor allem aber durch Vertrauen gestärkt wer-

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