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Ex t r a - Jou r na l :
Pe r sona lmanagemen t , Aus - und We i t e r b i l dung
hamburger
wirtschaft
01/2016
Informationen
In reglementierten Berufen wie Arzt,
Krankenpfleger, Rechtsanwalt, Lehrer,
Erzieher oder Ingenieur ist für die Aus-
übung des Berufs oder das Führen der
Berufsbezeichnung eine Anerkennung der
Berufsqualifikation notwendig. In nicht
reglementierten Berufen, also allen
Ausbildungsberufen, kann man sich direkt
auf Stellen bewerben und arbeiten. Eine
Anerkennung ist nicht erforderlich, nach-
gewiesene Berufspraxis reicht aus. Jedoch
eröffnet ein als gleichwertig anerkannter
Abschluss den Zugang zu Fortbildungen.
Für ausländische Hochschulabschlüsse,
die nicht zu einem reglementierten Beruf
hinführen – beispielsweise Mathematiker,
Ökonom oder Journalist –, bedarf es keiner
Anerkennung. Es gibt aber die Möglichkeit,
eine individuelle Zeugnisbewertung bei der
Zentralstelle für ausländisches Bildungs-
wesen zu beantragen. Weiteres unter
www.anerkennung-in-deutschland.deZur Person
Beate Rudolph (55), gelernte Bürokauffrau,
arbeitet seit 1997 bei der Handelskammer.
15 Jahre lang war sie in der Prüfungs-
sachbearbeitung tätig. Seit Inkrafttreten
des Gesetzes zur Verbesserung der Feststel-
lung und Anerkennung im Ausland erwor-
bener Berufsqualifikationen im April 2012
berät sie Migranten bei deren Anerken-
nungsverfahren.
hamburger wirtschaft:
Frau Rudolph, mehr
als eine Million Flüchtlinge wurden 2015 in
Deutschland registriert. Besorgt Sie diese Zahl,
wenn Sie an Ihre Beratungsarbeit denken?
Beate Rudolph:
Nein, denn die Menschen, die
in Deutschland ankommen, haben zunächst
andere Probleme.
hw:
Mit Ihrer Arbeit helfen Sie Menschen,
beruflich in Hamburg Fuß zu fassen. Wissen
Sie, wie viele es bisher waren?
Rudolph:
Seit April 2012 hat unsere Handels-
kammer 1229 Menschen aus 84 Nationen
beraten.
hw:
Wenn Sie „unsere Handelskammer“ sagen,
meinen Sie sich selbst. Stimmt’s?
Rudolph:
(lacht)
Ja. Ich führe im Schnitt 30
bis 40 Beratungen im Monat durch. Da der
Verfahrensprozess zum Teil langwierig sein
kann, reicht die Power einer Frau aus.
hw:
Wie lange dauert so ein Anerkennungs-
verfahren?
Rudolph:
Das kommt darauf an, ob alle Unter-
lagen vorliegen. In manchen Ländern wird zum
Beispiel kein Arbeitszeugnis ausgestellt oder
nur gegen Geld ausgehändigt. Aber von drei
Monaten bis zu anderthalb Jahren kann es
dauern.
hw:
Welche Voraussetzungen müssen für ein
Anerkennungsverfahren erfüllt sein?
Rudolph:
Die Menschen müssen eine staat-
liche abgeschlossene Berufsausbildung nach-
weisen, die mit einem deutschen Referenz-
beruf vergleichbar ist. Und sie müssen hier
arbeiten wollen.
hw:
Wie sieht es mit demAufenthaltstitel aus?
Rudolph:
Eine deutsche Staatsbürgerschaft
oder ein Aufenthaltstitel für Deutschland sind
Stefanie Gotthardt
stefanie.gotthardt@hk24.deTelefon 36138-303
für die Anerkennung nicht
erforderlich. Die Antragstel-
ler müssen auch noch nicht
hier leben. Sie können den
Antrag bereits vor der Ein-
reise direkt bei der IHK FOSA
(Anm. d. Red.: Foreign Skills
Approval)
stellen. Ich bin
aber nur für Menschen zu-
ständig, die seit mindestens
drei Monaten in Hamburg
gemeldet sind.
hw:
Wie geht es nach der
Antragstellung weiter?
Rudolph:
Der Antrag geht
an die IHK FOSA in Nürn-
berg. Als zuständige Stelle
für Anerkennungsverfahren
prüft sie, ob die Unterlagen
vollständig sind und in der
benötigten Form vorliegen. Sie nimmt den
eigentlichen Vergleich der Inhalte vor und teilt
nach dieser Hauptprüfung dem Antragsteller
das Ergebnis mit.
hw:
Kostet das den Antragsteller etwas?
Rudolph:
Ja, die Gebühren schwanken zwi-
schen 100 und 600 Euro. Meist sind es 420
Euro.
hw:
Das ist viel Geld für Menschen, die dabei
sind, sich eine neue Existenz aufzubauen.
Rudolph:
Das stimmt. Im Regelfall übernimmt
aber bei Arbeitssuchenden das Jobcenter die
Kosten. In Hamburg kann darüber hinaus ein
Hamburger Stipendium beantragt werden, das
alle im Anerkennungsverfahren anfallenden
Kosten, etwa Übersetzungen, abdeckt.
hw:
Wie läuft die Kommunikation zwischen
Ihnen und den Hilfesuchenden?
Rudolph:
Die Beratungssprache ist Deutsch.
Die meisten haben B1- oder B2-Sprachniveau.
Manche bringen auch einen Dolmetscher oder
Freunde mit, die beim Übersetzen helfen.
hw:
Der Weg zur amtlichen Anerkennung
kann, wie Sie schon sagten, lang sein. Was für
ein Verhältnis haben Sie zu den Menschen,
die zu Ihnen kommen?
Rudolph:
Die Menschen vertrauen mir. Sie
merken, dass ich ihnen helfe, für sie da bin. Zu
Anfang eines jeden Beratungsgesprächs frage
ich: „Was ist Ihr Traum?“ Die Leute haben kei-
ne Anerkennung, sondern vielmehr eine zwei-
te Chance verdient.
hw:
Ist Ihnen eine Begegnung besonders im
Gedächtnis geblieben?
Rudolph:
Eine tunesische Familie hat mir zum
Dank einen Zinnteller geschenkt. Dieser ist
selbst gemacht und trägt meinen Nachnamen
– allerdings mit einem „f“ geschrieben
(lacht)
.
Der Teller hängt in meinem Büro.
Die Menschen vertrauen mir.
Sie merken, dass ich für sie da bin