Dezember 2021/Januar 2022

HAMBURGER WIRTSCHAFT 40 FOTO: OPOLJA/STOCK.ADOBE.COM D er Ausblick ist grandios. Links die Alster, rechts St. Nikolai, dazwi- schen das Rathaus: Wer ein Start- up gründet, könnte es bescheidener an- gehen als die ai-omatic solutions GmbH amNeuenWall – würde sie keinenMarkt erobern, den es zuvor noch nicht gab. Das Unternehmen bietet eine Soft- ware, die Sensordaten von Maschinen auswertet und vorhersagt, wann ein Ausfall zu erwarten ist, auch „Predictive Maintenance“ genannt. Diese „voraus- schauende Wartung“ sei zwar nicht neu, meint LenaWeirauch. „Aber unsere Soft- ware erkennt Anomalien im Produkti- onsprozess klassischer Maschinen nicht nur, sondern bewertet auch, ob sie pro- blematisch werden.“ Wenn alle Bänder stillstehen, weiß die Gründerin aus eige- ner Erfahrung in der Luftfahrtindustrie, „ist Holland schließlich schnell in Not“. An dieser Stelle müsste Lena Wei- rauch, die sich während ihres Psycholo- giestudiums das Programmieren selbst beibrachte, nur noch „Holland“ durch „alleWelt“ ersetzten – schon träfe die Re- dewendung auf jene Krise zu, die ihr Un- ternehmen von Anfang an begleitet. Nur Wochen nach der Eröffnung am 6. Januar 2020 nämlich wuchs die Epidemie zur Pandemie. Nach demasiatischen Flugver- kehr kollabierte auch der globale. Kaum nahm die GmbH von Lena Weirauch Fahrt auf, „wurde alles auf null gesetzt“. Schlechte Zeiten für Start-ups also? Könnte man meinen. Oder bei Existenz- gründerinnen wie Weirauch nachhaken, die zwei Lockdowns zur Nachjustierung nutzte und sogar gestärkt daraus her- vorging. „Strategisch haben wir uns noch fokussierter aufgestellt.“ Weirauchs Auf- tragsbücher füllen sich, ihre Büros so- Firmenöffnung im Lockdown wieso, seit März hat sie doppelt so viel Personal wie zuvor am alten Standort in Altona. „Für uns“, sagt die Geschäftsfüh- rerin stellvertretend für das dreiköpfige Management, „hatte Corona auch sein Gutes.“ Und nicht nur für sie. Wer Hamburgs Start-up-Szene betrachtet, stößt auf krea- tive Beharrlichkeit, die weder das Virus noch dessen Abwehr erschüttern kann. Im Gegenteil. „Durch Kurzarbeit und Lockdowns“, sagt Gründungsexperte Jan Schlüter von der Handelskammer, „ha- ben viele Angestellte notgedrungen oder freiwillig den Weg in die Selbstständig- keit gewagt.“ Das Zwischenergebnis: Nach mäßi- gem Vorjahr dürften die Gewerbeanmel- dungenwieder das Niveau von 2019 errei- chen. Vorerst 15 440 Gründungen sagen zwar wenig über deren Qualität EXISTENZGRÜNDUNG Nach kurzem Rückgang steigt die Zahl der Gewerbeanmeldungen im Jahr 2021 wohl wieder auf Vorkrisenniveau – trotz und auch wegen Corona. Ein Streifzug durch die bunten Beete des Hamburger Start-up-Biotops. 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 zuletzt: 109,2 Geschäftsklima bei k leinen Hamburger Unternehmen bis 49 Beschäftigte; Indexwerte (Punkte zwischen 0 und 200) →

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