Dezember 2020 / Januar 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 60 MENSCH LICH FOTO MICHAEL BERNHARD Die Handelskam- mer steht kleinen undmittleren Mitgliedsunterneh- men, die in der Krise sind, schnell und unbürokra- tischmit Beratung, Vermittlung und speziellen Förder- programmen zur Seite. Ansprech- partner finden Sie online: www.hk24.de/ krisenberatung Heute habe ich das Gefühl, meine Krisener- fahrung schenkt mir eine gewisse Gelassenheit. Meine größte Heraus- forderung Als sie vor zehn Jahren Insolvenz anmelden musste, geriet Galeristin Kirsten Roschlaub in eine tiefe Lebenskrise. Heute blickt die 47-Jährige positiv auf diese schwere Zeit zurück. M onatelang hatte ich die Augen verschlossen. Hatte aus Angst vor derWahrheit alles Unan- genehme ausgeblendet, einfach wie immer weitergemacht und mich damit in meine größte Le- benskrise gesteuert. Vor zehn Jahren musste ich mit meiner damaligen Galerie Insolvenz anmelden und sie aufgeben. Sie war mein Lebensmittelpunkt, ange- sagt bei Promis und Presse. Nach außen wirkte bis zum Schluss alles rosig. Doch wirklich wirtschaftlich warmeine Galerie schon seit einiger Zeit nicht mehr. Der Börsencrash 2008 nagte am Kunstmarkt. Viele meiner Kunden zogen sich zurück. Kunst war eines der Luxusgüter, auf die als Erstes verzichtet wurde. Ich hatte keine Einnahmen mehr, Ausgaben wieMiete undCo. bezahlte ich vonmeinenRücklagen. Viel zu lange habe ich gedacht, dass es irgendwann schon wieder bergauf gehen würde. Die größte He- rausforderung lag fürmich darin, anzuerkennen, dass ich damit falschlag und es tatsächlich keinen anderen Ausweg mehr für mich geben konnte, als der Realität ins Auge zublickenund Insolvenz anzumelden. Das Schlimmste an einer Krise sind nicht die schrecklichen Dinge, die passieren könnten oder werden, sondern die Furcht vor dem, was alles kom- men kann – die Angst vor der gesellschaftlichen Schande, die Unvorstellbarkeit, wie das Leben über- haupt weitergehen kann, das Gefühl des Scheiterns, das schlimmstenfalls auch noch in aller Öffentlich- keit stattfindet. Aber als die Entscheidung, Insolvenz anzumelden, erst einmal gefallen war, stellte sich so- fort Erleichterung ein. Allerdings war da dann auch eine große Leere. Danach musste ich neuen Mut fassen und den Glauben an neue Möglichkeiten wiederfinden. Nie- mals hätte ich gedacht, dass mich diese Zeit stärken würde. Heute habe ich das Gefühl, meine Krisen- erfahrung schenktmir eine gewisseGelassenheit. Vor fünf Jahren habe ichmeine neue Galerie eröffnet. Ob Menschen dort jemals wieder gedrängt bei einer Ver- nissage zusammenkommen, steht in den Sternen. Noch wissen wir nicht, ob oder wann ein Alltag wie vor der Pandemie wieder möglich sein wird und in- wieweit sich die Bedürfnisse der Kunden verändert haben. Um ihnen aber weiterhin den Austausch mit Kunst zu ermöglichen, plane ich statt voller Vernissa- gen exklusive Art-Dinners imkleinsten Kreis. Ich versuche, auch diese Krise als Chance für neue Impulse zu sehen. Und ich weiß genau, dass ich denMoment erkennenwerde, in dem ich einen ande- ren Weg einschlagen und etwas völlig Neues machen muss. Noch einmal wird es mir nicht passieren, dass ich meine Augen vor einem drohenden Dilemma ver- schließe. Heute bin ich der Überzeugung, dass man alles, was man bisher erreicht hat, wieder erreichen kann. Es ist immermöglich, wieder aufzustehen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz