Dezember 2020 / Januar 2021

WWW.HK24.DE N ach wie vor schippern wir mit unserem Musik- club auf Sicht. Im September und im Oktober konnten wir 25 pandemiegerechte Veranstal- tungen realisieren. Alle Shows waren ausverkauft. Das war außergewöhnlich, denn imbundesweitenVergleich hatten Konzerte unter Corona-Bedingungen nur etwa 40 bis 60 Prozent Auslastung. Teilweise sind Bands zweimal hintereinander aufgetreten, da wir durch die Distanzauflagen nur ein Fünftel des üblichen Publi- kums einlassen konnten. Die verminderten Einnahmen haben wir zunächst aus eigener Tasche kompensiert. Die Clubstiftung Hamburg, zu deren Vorstand ich gehöre, ar- beitet aber mit der Hamburger Kulturbehörde an einer nach- träglichen Fehlbedarfsfinanzierung. Die Gäste waren extrem dankbar, dass wieder Kultur statt- fand. Umso frustrierender war für uns der erneute Lockdown Anfang November. Es fühlte sich so an, als würde nachgetreten auf eine Branche, die eh schon am Boden liegt. Natürlich müs- sen wir dieses Virus eindämmen. Ich finde aber, die Bundes- regierung hat mit der Schließung von Kultureinrichtungen ein falsches Signal gesendet. Mir fehlte eine genaue Analyse, wo die Infektionsherde tatsächlich liegen. Während unserer Öffnungsphase hatte ich zwei unserer Festangestellten und zwei Minijobber reaktiviert. Die sind wie- der in Kurzarbeit gegangen oder mussten sich erneut um Grundsicherung bemühen. Für uns als Club hieß es dann: War- ten auf die zweite Phase der Überbrückungshilfe, bei der Betroffene für den Lockdown-November ja 75 Prozent des sons- tigen Umsatzes erhalten sollen. DieMaßnahmen greifen jedoch oft nur zeitverzögert. So haben wir erst imHerbst die Überbrü- ckungshilfe der ersten Phase erhalten, die Kulturunternehmen von Juni bis August liquide halten sollte. In „Nochtspeicher“ und „Nochtwache“ haben wir im heruntergefahrenen Betrieb immerhin noch 25000 bis 30000 Euro Fixkosten. Anfang November habe ich noch die letzten Gagen abge- wickelt und mich dann verstärkt auf die Clubstiftung konzen- triert. Es ist unklar, ob Clubs imWinter wieder öffnen können. Deshalb fokussieren wir uns gerade darauf, unsere Mitglieder in der „Club Academy“� zu schulen, etwa in der Umsetzung pandemiegerechter Konzerte, aber auch in ökonomischem Know-how. Zudem wollen wir am „Musikclub der Zukunft“� arbeiten – zum Beispiel indem wir alternative Nutzungspläne jenseits von Konzerten und Partynächten entwickeln. Denn kulturelle Räume dürfen nicht leer stehen und verkümmern. Seit April berichtet Tino v. Twickel darüber, wie sein Musikclub von der Pandemie betroffen ist. Nach zwei Monaten mit Konzerten musste der „Nocht- speicher“ im November erneut schließen. Tino v. Twickel ist seit 2014 künst- lerischer Leiter der Musikclubs „Nochtspeicher“ und „Nochtwa- che“ auf St. Pauli, wo er für Booking und PR verant- wortlich ist. Zu- dem engagiert er sich ehren- amtlich in den Vorständen der Verbände Club- kombinat Ham- burg und Club- stiftung. Zuvor hat er unter an- derem die Bands „Rhonda“ und „Cäthe“ als Ma- nager betreut. Im Handel! oder über szene-hamburg.com Jetzt neu! e-t_topten_56x148.indd 1 24.11.20 16:41 Mein Corona-Tagebuch CORONA -AUSWIRKUNGEN AUFGEZEICHNET VON BIRGIT REUTHER; FOTO: BERND JONKMANNS

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