Oktober/November 2022

Der Große Brand von 1842 zerstörte ein Viertel der Stadt, ermöglichte aber eine Modernisierung der Infrastruktur. Vom Kirch- dach zum Kupferdraht Hamburgs Industriegeschichte ist eine Erfolgsstory voller Auf- und Abschwünge, die mit Gehstöcken begann, vom Kupfererz profitierte und seit fast 200 Jahren vor allem eine Richtung kennt: aufwärts. Wegmarken der Industrialisierung Welchen Einfluss das Unternehmen nahe der Elb- brücken für denProduktionsstandort Hamburg hatte, lässt sich allerdings nur schätzen. Zum einen, weil die ökonomischen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts auf dem Weg ins 20. so vielfältig waren, dass sich die Bedeutung jeder einzelnen Entwicklung kaum bezif- fern lässt. Zum anderen, weil „das Wissen über das norddeutsche Zentrum der Industrialisierung im Ge- gensatz zur gut erforschten Hafen- und Handels- metropole lückenhaft ist“ – soDr. Dirk Brietzke, Histo- riker an der Universität Hamburg, der sich intensiv darumkümmert, diesesWissen zu erweitern. Seine Forschungen zur norddeutschen Industrie vor dem Ersten Weltkrieg listen seitenweise Weg- marken auf, die den Weg Hamburgs zur Industrie- stadt markierten. Sie reichen von der Lockerung des Zunftwesens 1835 bis zur Gründung von Blohm & Voss 42 Jahre später, von der ersten Dampfmaschine in H.C. Meyers Gehstockfabrik 1839 bis zum wil- helminischen Kolonialismus, von einer Bahnstrecke nach Bergedorf 1842 bis zum Bau der Speicher- stadt ab 1883. Jeder Schritt ein Wendepunkt, meint Brietzke. ImGroßenwie imKleinen. Schließlich hat die Umwälzung der Wirtschafts- verhältnisse nicht nur Produktion und Arbeit verän- dert, sondern auch Politik und Stadtbild, Gesell- schaft und Kultur. Gewerkschaften und Arbeiterpar- teien sind dem Forscher zufolge „fürs Verständnis dieser Phase ebenso bedeutend wie die Entwicklung neuer Produktionstechniken, die Ansiedlung von In- dustriebetrieben, die Erschließung neuer Energie- K upfer, eines der ältesten aller verhütteten Metalle, hat in Hamburg Tradition. Mit Acetat angesäuert, färbt es die Kirchdächer seit Jahr- hunderten grün. Und im Bauch heimkehrender Aus- wanderungsschiffe beförderte Kupfererz abMitte des 19. Jahrhunderts einen Prozess, der die Hafen- und Handelsmetropole umwälzen sollte wie zuvor allen- falls Kompass und Sextant: die Industrialisierung. War Hamburg bis dato eher kaufmännisch ge- prägt, öffneten Laderäume voll Kupfererz das Tor zur Welt ein Stückweiter – und füllten nebenbei das Fun- dament eines Global Players, der 1866 aus einer Reihe örtlicher Betriebe entstanden war: die Nord- deutsche Affinerie. Ein Konzern, der schon vor sei- ner Umbenennung zu Aurubis im Jahr 2009 weltum- spannend agierte und heute die größte Kupferhütte Europas ist – mit rund 6900 Angestellten in über 20 Ländern, die imGeschäftsjahr 2020/21 einen Umsatz von gut 16Milliarden Euro erwirtschafteten. 38 HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE FOTOS: STAATSARCHIV HAMBURG, DPA/BILDAGENTUR-ONLINE/SUNNY CELESTE, AURUBIS AG, UNIVERSITÄT HAMBURG INDUSTRIE GESCHICHTE

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