Oktober/November 2022

DIRK LEHMANN (58), seit 2001 ge- schäftsführender Gesellschafter von Becker Marine Systems, machte das Unternehmen zum Vorreiter in Nachhaltigkeits- fragen, investierte aber auch in ande- re Geschäftsfelder, vor allem Elektro- mobilität. Für die Entwicklung der Propellerdüse Be- cker Mewis Duct erhielt er 2022 gemeinsam mit Diplom-Ingenieur Friedrich Mewis den Deutschen Umweltpreis. Das Schiffstech- nik-Unternehmen BECKER MARINE SYSTEMS wurde 1946 von Rhein- kapitän Willi Be- cker in Hamburg gegründet, der ein Spezialruder für seine Frachter er- funden hatte. Dank energieeffizienter Hochleistungsru- der und automati- sierter Material- Handling-Systeme entwickelt es sich nach und nach zum Hidden Champion: „In der Nautik ist Becker weltweit ein Begriff wie As- pirin in der Medi- zin“, sagt Lehmann. Die 250 Mitarbei- tenden erzielten 2021 einen Rekord- umsatz; 2022 liegt er wohl erstmals über 100 Millionen Euro. Im Bereich effizienter Schiffsruder ist Becker Marine Systems Weltmarktführer. Managing Director Dirk Lehmann über grüne Antriebstechnik, nautischen Erfindungsgeist und den Standort Hamburg. Herr Lehmann, fühlen Sie sich angesichts der heutigenKrisen eher über- oder herausgefordert? Dirk Lehmann: Bevor es zu dieser Wahl kommt, ti­ cke ich zunächst mal analytisch, überlege also, wer die Krisen verursacht hat, was man dagegen tun kann, und suche dann technische Ansätze zu ihrer Bewältigung. Beim Thema Energiekrise etwa erpro­ ben wir bei unseren Neubauprojekten im Süden Hamburgs entsprechend energieautarke Lösungen wie Wind und Solar. Ist dieser lösungsorientierte Ansatz eine Frage der Mentalität oder Ihrer Branche? Ein Mix aus beidem. Einerseits ist es typabhängig, denn im Bereich Ressourcenschonung und Nach­ haltigkeit suche ich ständig nach Verbesserungs­ möglichkeiten, die andere noch nicht im Blick ha­ ben. Es ist aber auch betriebsbedingt, wobei Becker Marine Systems ja nicht von Anfang amKlimaschutz gelegen war. Das Unternehmen kam aus der Manö­ vriertechnik und hat sich erst durch Netzwerke, Kun­ dengespräche, Marktentwicklungen in Richtung Energiesparen durch hocheffiziente Rudersysteme entwickelt – auch wenn es den Kunden damals nicht ums Klima, sondern die Kosten ging. Uns schon. Dem Unternehmen oder Ihnen? Das hatte schon mit mir zu tun, ja. Aber immer in Kooperation mit unseren Partnern und Käufern, den Reedereien vor allem, auf der gemeinsamen Su­ che nach energieeffizienten Lösungen. Dafür haben Sie die Propellerdüse Becker Mewis Duct mitentwickelt, die bisher zwölf Millionen Tonnen CO₂ eingespart hat. Mit Friedrich Mewis, genau. Er hatte mit einer Handskizze belegt, dass man Kraftstoff sparen kann, indem der Zustrom zum Propeller und damit der Nachstrom des Schiffes optimiert wird. Das war mitten im Schiffbauboom 2007, als Größe plus Län­ ge, nicht Effizienz oder Sparsamkeit zählten. Den Begriff „Energiewende“ gab es noch nicht? Nein. Aber die Becker Mewis Duct ist auch kein Pro­ dukt, das die Energiewende vorantreibt, sondern das Emissionen in neuen und alten Antriebssystemen re­ duziert, indem es den Kraftstoffbedarf verringert. In der Transferphase weg vom fossilen Zeitalter ist das dennoch unerlässlich. Das stimmt. Bei einer norwegischen Reederei hatte sich zuvor ein Generationswechsel vollzogen. Die Tochter wollte binnen drei Jahren 15 Prozent CO₂ spa­ ren, womit sie seinerzeit ziemlich allein in der Bran­ che war. Als wir sie für eine Neubauserie in Japan technisch beraten haben, musste mein alter Freund Friedrich von der Schiffbau-Versuchsanstalt in Ham­ burg seine Pension kurz verschieben und hat die Innovation mit mir am zahlenden Kunden erprobt. Das nennt man dann wohl Win-win-Synergie! Die zumindest inmeinemNetzwerk von der Schiffs- über die Wasserstoff- bis zur Lkw-Branche bereits so die Regel ist, dass viele Innovationen dort Cross- Industry entstehen. Es ist aber auch ein weiteres Zeichen dafür, dass es am Ende immer wir, also Un­ 24 HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE PERSÖNLICH DIRK LEHMANN

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