Oktober/November 2021

BLINDE ZEILE HAMBURGER WIRTSCHAFT 40 FOTO: GEMEINFREI/PUBLIC DOMAIN In der legendären Seeschlacht vom 11. September 1678 gelang es Berend Jacobsen Karpfanger mit der „Leopoldus Primus“, französi- sche Kaperfahrer abzuwehren MEILEN- STEINE 1517: Mit dem „Gemenen Kop­ man“ kommt es zur erstenHandelsinte­ ressenvertretung. 1558: An der Trost­ brücke entsteht Hamburgs Börse, die vierte erst im DeutschenReich. 1619: Die Hambur­ gische Bank ist Deutschlands erste bargeldlose Girobank. 1665: Gründung der Handelskammer als Bollwerk gegen die Piraterie. 1716: Handelsver­ tragmit Frankreich zur Sicherung der gemeinsamen Seewege. 1783: Mit der „Elise Katharina“ landet Hamburgs erstes Handelsschiff in den USA. 1841: Eröffnung der Neuen Börse am heutigen Standort. 1867: Aus der Com­ merzdeputation wird die Handels­ kammer. 1871: Trotz Reichs­ gründung behält die Stadt ihre Freihan­ delsrechte. 1919: Gründung der Universität. 1923: Das Notgeld der Hamburger Bankmildert die Hyperinflation. 1927: Fertigstellung der Speicherstadt. 1948: Nach dem Krieg knüpft die Handelskammer neue Kontakte weltweit. 1960: Größter Umschlag der Hafengeschichte mit 31 Millionen Tonnen. 1996: InNiensted­ ten eröffnet auf Kammerinitiative der Internationale Seegerichtshof. 2001: Grundstein­ legung der HafenCity. N ormalerweise ist die organisierte Kriminali- tät bei Kaufleuten zu Recht verpönt. Von alters her sorgt sie überall für Ärger, Kosten, Einnahmeverlust. Hamburg aber hat ihr abseits aller Unbill auch viel zu verdanken – manche mei- nen sogar, fast alles. Denn als algerische Piraten im Jahr 1662 acht Handelsschiffe mit millionenteurer Fracht aufbringen, geschieht – wie so oft – wenig. Statt Freiheit und Sicherheit zu hüten, wie die Handelskammer-Vorläuferin „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“ 140 Jahre nach ihrer Gründung beklagt, bleiben vier der amtieren- den Bürgermeister, darunter Peter Lütgens, Barthold Moller, Nicolaus Jarre und Wolfgang Mau- rer, untätig. Selbst ein „Convoygeld“, das Hamburgs Händler der Admiralität zum Bau zweier Fregatten zahlen, verpufft in der kriegerischen Nordsee. An demPunkt, sagt die Historikerin Kathrin Enzel vom Hanseatischen Wirtschaftsarchiv, „war ihre Geduld beendet“. Mit Folgen, die bis heute nachwirken. Drei Jahre später schließen sich sechs Ge- schäftsleute mit einem Reeder zusammen und gründen die Commerzdeputation, heute bekannt als Handelskammer. Ein Markstein für den Wirt- schaftsstandort – obwohl es zunächst nur um Wehrhaftigkeit geht, das aber mit schlagendem Erfolg. Kommandiert von Kapitän Karpfanger, gewinnt der neue Dreimaster „Leopoldus Primus“ 1678 eine Seeschlacht gegen die Franzosen und stärkt der Interessenvertretung den Rücken. Das ist auch notwendig: Seinerzeit sehen Rat und Bürger- schaft das siebenköpfige Gremiumsehr kritisch. Schon 1517 enthielt die Gründungsakte des „Gemenen Kopman“, wie die „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns“ zunächst hieß, als Reaktion auf den Niedergang der Hanse Forderungen über un- gehinderteWarenströmehinaus. Seit demSieg inder Elbmündung aber tritt die neue Institution noch selbstbewusster auf; schließlich mischt sich schon der Premierenpräses Michael Heusch in außenpoli­ tischeThemeneinundbeimHamburger Bürgerkrieg kräftig mit. Dank kaiserlicher Hilfe von Leopold I. gibt der (all)mächtige Rat den Widerstand gegen die innerstädtische Konkurrenz zwar bald auf, erst nach Von Handelsmacht und Kaufmannsgeist Die Geschichte der Handelskammer ist international: Vor 356 Jahren wurde sie zum Schutz Hamburger Schiffsladungen vor Seeräubern gegründet. Auch heute noch ist sie global aktiv. Eine Zeitreise zu Hanse, zu Commerzien und zum „Gemenen Kopman“.

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