Oktober/November 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 38 GESCHÄFTS BRÄUCHE „Die schlimmste Aufgabe, die Sie einem Inder geben können, ist das Überbringen einer schlechten Nachricht.“ In der deutsch-indischen Kommunika- tion hat das gern mal zur Folge, dass man zuerst in der Zeitung erfährt, was im unmittelbaren Umfeld schiefgelaufen ist. Alle Anzeichen waren da – aber keiner sagt etwas. Weil das Benennen von Schuld oder Versagen als unhöflich gilt. Andererseits punktet in Indien, wer sich für die komplexe und traditionell streng hierarchische Kultur und Gesellschaft interessiert. „Der persönli- che Kontakt ist sehr wichtig“, betont Indien-Kenner Deubet. „Was mir alle Türen öffnet, ist, wenn ich er- wähne, dass ich mich für den Nationalsport Cricket interessiere. Hier ist es zudem ganz normal, dass man private Fragen stellt: Bist du verheiratet? Hast du Kinder? Wo wohnst du? Das gilt in Deutschland schonmal als Eindringen in die Privatsphäre.“ Chinesische Höflichkeit und Effizienz Auch in China gelten andere Regeln. Pan Hua und Mi- chael Wunderlich leiten die siebenköpfige Hamburg- Vertretung in Shanghai, hinzu kommt eineMitarbeite- rin in Peking. Sie sprechen ebenfalls von einer beson- deren Ja-Nein-Kommunikation, die vielmit asiatischer Höflichkeit zu tun hat. „Vor anderthalb Jahren habe ich eine deutsche Firma unterstützt, die Rapsöl nach China verkaufen wollte“, erzählt Michael Wunderlich. „Man hatte einen chinesischen Käufer gefunden, der aber nur langsam antwortete. Zwar sagte man, dass man kaufen möchte, aber die Deutschen mussten im- mer wieder nachfragen. So etwas signalisiert meist, dass die chinesische Seite nicht wirklich Interesse hat. Dass man nur aus Höflichkeit den Dialog am Laufen hält. Sobald die Deutschen einen Vertragsentwurf ge- schickt hatten, kamkeine Antwortmehr.“ Ganz anders läuft esmit chinesischen Partnern, wenn ein Produkt tatsächlich gefragt ist. „Dann be- kommt man gefühlt alle 20Minuten eine neue Nach- frage, auch nachts“, berichtet Pan Hua. „Die hohe Arbeitsgeschwindigkeit, die sich viel schneller ver- ändernden Trends undMärkte in China sind oft eine Herausforderung für deutsche Geschäftspartner. Meist wird eine 24/7-Verfügbarkeit erwartet, umDe- tails und Änderungen kurzfristig zu besprechen.“ Allein in der Produktentwicklung gibt es im- mense Unterschiede zwischen China und Deutsch- land, erzählen Hua und Wunderlich. Die Entwick- lungszeit im asiatischen Riesenreich sei stark ver- kürzt – jedoch „empfiehlt es sich, bei der Qualität genauer hinzusehen. Anpassungen erfolgen hier meist in Form von schnellen, sukzessive erscheinen- den Produkten. Dies zeugt von der Macher-Menta- lität chinesischer Geschäftsführungen: Es sollen generell schnell Ergebnisse vorgewiesen werden können.“ China sei eine Leistungsgesellschaft, so Wunderlich, und dieser Druck werde auch gerne an ausländische Partner weitergege- ben: „Hier heißt es dann, entweder man kann sich anpassen, oder die Zusam- menarbeit könnte in viel Stress und Überstunden resultieren.“ Wer Geschäfte in China machen will, sollte hohen Leistungsdruck mit ein­ kalkulieren, sagt Michael Wunderlich. Zusammen mit Pan Hua leitet er die Ham- burg-Repräsentanz in Shanghai Russische Na- menskunde: Wer höflich sein will, spricht sein Gegen- über mit Vornamen und Namen des Vaters plus Suffix an: -owna oder -ewna für Frauen (seltener -itschna oder -initschna), -owitsch oder -ewitsch für Män- ner (seltener -itsch). Das gilt besonders für ältere und hö- hergestellte Perso- nen. Die Anrede steht auf der Visi- tenkarte oder lässt sich googlen. „Mein Sohn heißt Otto Nikolai“, sagt Reit- mann. „In seinem russischen Reise- pass steht Otto Nikolai Kajewitsch Reitmann, weil mein Mann Kai heißt. Im deut- schen Reisepass steht einfach Otto Nikolai Reitmann. Ich selbst werde von offiziellen Institutionen als Ekaterina Alek- seewna angespro- chen, weil der Name meines Vaters Aleksej ist.“

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