August/September 2022

ken für höhere Erträge und damit höhere Einkommen zu ent- wickeln. Dennoch bleibt Otto vor allem eine deutsche Einkaufs- plattform. Was genau macht sie zum Marktplatz, wie Sie ihn vermarkten? Otto hat sich erst zu einem Online-Händler und nun zu einer Plattformmit aktuell elf Millionen aktiven Kunden entwickelt. Darauf können Händler und Marken neben uns ihr Sortiment anbieten, sofern sie gewisse Standards erfüllen. Den lokalen unserer aktuell rund 4500 Plattformpartner bietet das die Chance, Präsenz und somit Frequenz zu erzielen. Natürlich kann es sein, dass deren Preise günstiger sind und uns auf der Plattform Konkurrenz machen. Aber das ist Marktwirtschaft und bringt am Ende mehr Nutzen für die Kunden und mehr Frequenz für unsere Produkte. Ist der Marktplatz eine Ergänzung zum Analogen der In- nenstädte – oder deren Gegner? Ganz klar eine Ergänzung. Die Kunden unterscheiden ja gar nicht mehr zwischen den Kanälen, kaufen da und dort ein. Mit unserer Schwester ECE, EuropasMarktführer imBereich Shop- ping-Center, haben wir seit 2019 ein Joint Venture, das Einzel- händler der Einkaufszentren auf unsere Plattform holt. Die Kunden können dann digital bestellen und sich dieWare liefern lassen oder im Ladenlokal erst einmal anschauen und vor Ort kaufen. Das hilft beiden Sphären, weil es Online-Handel anfass- bar macht und den digitalen Umsatz stationärer Läden steigert. Trotzdem bleibt die Kritik, E-Commerce zerstöre inner- städtische Strukturen. Machen Sie wirklich eher Amazon Konkurrenz als der Mönckebergstraße? Wir sind alle in einem täglichen 360-Grad-Wettbewerb um die Kundin und den Kunden, der sich überall informiert und über- all kaufen möchte. Amazon ist da ebenso ein Konkurrent wie die Händler in der Innenstadt, in der wir mit Konzepten wie bonprix, myToys, WITT und Manufactum ja selbst präsent sind. Deshalb sehe ich die Lage differenzierter. Der Einzelhan- del hat sich vielerorts selbst geschadet. Das Veröden innerstäd- tischer Zonen hat ja lange vor dem Siegeszug des E-Commerce eingesetzt. Warum? Weil sie immer monotoner und deshalb langweiliger geworden sind. In kaumeiner City finden Sie noch Lebensmittel oder regionale Einzelhändler, dafür aber viele Ketten, die austauschbar sind. Was aber vor allemmit explodierenden Mieten zu tun hat. Das stimmt. Deshalb müssen Innenstädte völlig neu gedacht werden. Damit sich bestehende Händler vor Ort halten, müs- sen sie Omnichannel vermarkten, also sowohl online als auch analog verkaufen. Um neue Geschäfte anzulocken, muss sich aber auch die Struktur insgesamt ändern. Inwiefern? Indemwir die Citys buchstäblich neu beleben – vor allemdurch Wohnraum, aber auch Kultur, kleine Manufakturen, regionale Spezialisten und Gastronomie, Verkehrsberuhigung und Stadtbegrünung oder schöne Aufenthaltsmöglichkeiten wie auf einer italienischen Piazza als Treffpunkt. Nur: Dazu müs- sen die Immobilienbesitzer bereit sein, nicht immer nur die höchstmögliche Miete zu nehmen. Nehmen Sie als Immobilieninvestor im Zweifel geringere Mieten für nachhaltigere Nutzung? Natürlich muss das geschehen. Wir müssen Innenstädte wie Shopping-Center begreifen, bei denen ein attraktiver Mix ver- schiedener Angebotskonzepte mit unterschiedlichen Mieten umgesetzt werden muss. Darüber hinaus braucht es kulinari- sche und kulturelle Konzepte. Deshalb gehören sämtliche Stake-holder der Innenstädte an einen Tisch, damit Immobili- enbesitzer, Stadtplaner, Einzelhändler gemeinsammit der Po- litik besprechen, was für alle am besten ist. Ist das etwa ein Führungsangebot? (lacht) Als ich vor vielen Jahren imPräsidiumder Handelskam- mer saß, wollten wir gemeinsam den Leerstand der Colonna- den angehen und haben ein Konzept entworfen, nach dem je- der Laden einzeln bewertet und gemäß seiner Größe, Umsätze, Kundschaft von einem Quartiersmanager mietmäßig einge- stuft würde. Und dann? Hat praktisch jeder Vermieter Sonderwünsche geäußert, bis das Konzept scheiterte. Andererseits ist das 15 Jahre her; seit- dem hat sich die Situation des stationären Einzelhandels so verändert, dass Vermieter nicht mehr jeden Laden nach Belie- ben vermietet bekommen. Es könnte sich also was bewegen, aber mir persönlich fehlt schlicht die Zeit, da über ein Grund- satzgespräch hinaus aktiv mitzuwirken. Wenn Sie die Gene Ihres Va- ters haben, werden Sie min- destens 100, aber wollen Sie sich den Aufsichtsratsvorsitz auch mit 80 noch zumuten? Ohne ein festes Datum zu nen- nen, werde ich mich auf jeden Fall in den nächsten Jahren aus einigen Unternehmen und Gre- mien zurückziehen. Aber in meinen eigenen Stiftungen blei- be ich sicher noch länger aktiv, um Themen wie Energiewende, Klima, Umwelt oder Medizin weiter zu unterstützen. Ihr Ruhestand bleibt ein Unruhestand? Langeweile wird jedenfalls nicht aufkommen. JAN FREITAG redaktion@hamburger-wirtschaft.de Michael Otto empfing HW-Mit- arbeiter Jan Freitag in seinem Büro zum Interview. 33 HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE PERSÖNLICH MICHAEL OTTO

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