HAMBURGER WIRTSCHAFT 07 / 16
IM FOKUS
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ERNEUERBARE ENERGIEN
tung. Sie variiert von Erzeugungsart zu
Erzeugungsart, teilweise auch von Region
zu Region, und ist in der Regel auf 20
Jahre angelegt. Betrachtet man das Ver-
hältnis von erzeugter Strommenge zur
Fördersumme, so führt die Gewinnung
von Windenergie an Land klar. Es folgen
die Offshore-Windenergie, Biomasse und
Solarenergie.
Finanziert wird diese Förderung vom
Stromverbraucher – und zwar über die
EEG-Umlage. Dabei gibt es diverse Aus-
nahmen und Vergünstigungen, vor allem
für Industriebetriebe, die viel Strom ver-
brauchen. Das Umlagevolumen hat mitt-
lerweile rund 23 Milliarden Euro pro Jahr
erreicht; die Umlage pro Kilowattstunde
beträgt 6,35 Cent.
Mit der Produktion von Strom ist es
aber nicht getan, besonders weil Wind-
und Sonnenenergie eben nicht gleichmä-
ßig und planbar zur Verfügung stehen.
Folglich müssten die Verbraucher ihr Ver-
halten theoretisch stärker als bisher an
der vorhandenen Strommenge ausrich-
ten. Oder aber man nutzt Speicher be
ziehungsweise Ausgleichskraftwerke. Bei-
des ist jedoch teuer; bei der Speicherung
besteht technisch zudem Nachholbedarf.
Die Einspeisung von Strom ins Netz
sowie seine Verteilung haben sich eben-
falls grundlegend geändert. Erzeugt wird
Strom meist nicht mehr dort, wo auch
die großen Verbraucher sind, wodurch
Transportmöglichkeiten gebraucht wer-
den. Eingespeist wird er zunehmend auf
der Niederspannungs- (früher Verteilnetz)
und nicht mehr der Hochspannungsebe-
ne (früher Übertragungsnetz). Des Wei
teren gewinnen die Eigenerzeugung und
der Eigenverbrauch an Bedeutung.
Die Energiewende ist politisch initi-
iert und muss daher politisch gesteuert
werden. Laufende Anpassungen fast aller
Gesetze und Verordnungen sind notwen-
dig. Viele dieser Änderungen gleichen
Operationen am offenen Herzen, denn
bisherige Prognosen erwiesen sich oft-
mals als ungenau.
Aktuell das wichtigste Vorhaben ist
die Novellierung des EEG. Im Fokus steht
dabei die Einführung von Ausschreibun-
gen, um für mehr Wettbewerb und damit
niedrigere Preise zu sorgen. Die Handels-
D
ie Energiewende hat viele Anhän-
ger, da ihre Vision der sprichwört-
lichen „eierlegenden Wollmilch-
sau“ ähnelt: Strom, Wärme und Kraftstoff
werden aus unendlich verfügbaren Quel-
len gewonnen. Und das auch noch kos
tenfrei. Sonne, Wind und Co. schreiben
schließlich keine Rechnungen. Außerdem
wird versprochen: Überwiegend dezentral
in vielen kleinen Einheiten und damit un-
abhängig von großen Konzernen erzeugt,
liegt die Energiegewinnung in der Hand
der Bürger.
Doch die Realität zeigt: Der Weg da-
hin ist lang und teuer; die nötigen Verän-
derungen, insbesondere an der Infrastruk
tur, sind technisch anspruchsvoll und
umstritten. Harte Auseinandersetzungen
zwischen den verschiedenen Lobbyver-
bänden der Energiewirtschaft erschweren
die weitere Entwicklung und machen die
deutsche Energiepolitik so zu einer Poli-
tik großer Kompromisse.
Zu den Fakten: 2015 lieferten regene-
rative Quellen rund 14 Prozent der bun-
desweit benötigten Energie. Wichtigster
Energielieferant war Biomasse (57 Pro-
zent). Wind (23 Prozent) und Sonne (10
Prozent) folgten mit weiten Abständen.
Beim Blick auf weitere Zahlen drängt
sich eine Frage unweigerlich auf: Handelt
es sich bei uns wirklich um eine Energie-
wende oder wäre die Bezeichnung Strom-
wende nicht besser? Denn während der
regenerative Anteil beim Strom knapp 33
Prozent beträgt, sind es bei der Wärme
versorgung nur gut 13 und im Verkehr
rund 5 Prozent.
Die in Hamburg als Stadtstaat er-
zeugte Menge regenerativer Energie ist
vernachlässigbar. Als Sitz vieler wichtiger
Firmen, vor allem aus dem Bereich Wind-
energie, spielt die Branche der Erneuer
baren Energien bei der Wertschöpfung
und den Beschäftigungszahlen dennoch
eine große Rolle.
Bisher lebt die Branche allerdings in
erster Linie von Zuschüssen des Staats.
Es gibt das Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) für den Strom und das Erneuerbare-
Energien-Wärme-Gesetz (EEWG) für die
Wärme. Das EEG schreibt den Einspeise-
vorrang für Strom aus regenerativen Quel-
len vor und garantiert dafür eine Vergü-
Stellungnahmen
Die Stellungnahmen des DIHK und der IHK
Nord zur Energiewende und der EEG-Novelle
finden Sie unter
bit.ly/1TVY5LLund unter
www.ihk-nord.de, Dokument-Nr. 3351456
Tobias Knahl
tobias.knahl@hk24.deTelefon 36138-267
kammer Hamburg hat sich gemeinsam
mit den anderen deutschen IHKs in einer
Stellungnahme des Deutschen Industrie-
und Handelskammertags (DIHK) in das
Verfahren eingebracht. Über die IHK Nord
wurde zusätzlich auf einige für den Nor-
den besonders wichtige Punkte hinge
wiesen.
Grundsätzlich kritisiert wurde dabei,
dass aufgrund der häufigen Gesetzes
änderungen die Planungssicherheit für
Unternehmen fehlt. Die Einführung von
Ausschreibungen wird zwar begrüßt, je-
doch für noch mehr Wettbewerb und
Marktheranführung plädiert, wofür eine
klare Perspektive fehlt.
Ein kritischer Punkt für die nord
deutschen Kammern ist, dass im Norden
der Ausbau der Windenergie an Land ein-
geschränkt werden soll, um Netzengpäs-
sen vorzubeugen, statt den Netzausbau
zu forcieren. Denn hier ist die Erzeugung
besonders günstig und daher volkswirt-
schaftlich effizient. Die Zusammenfüh-
rung der Regelungen für Offshore-Wind-
energie in einem eigenen Gesetz wird
hingegen begrüßt.