April/Mai 2023

Haben Sie auch mit steigenden Mieten zu kämpfen? Weil Geschäfte wie unsere die Immobilie in aller Regel seriöser machen als Ein-Euro-Shops, also auf- werten, konnten wir zwar gerade in Straßenge- schäften gut mit den Vermietern verhandeln, aber klar – Mieten sind genauso wie Energiepreise und Inflation wachsende Kostenfaktoren, die uns das Leben schwer machen. Das gilt bei den Indexmieten vieler Einkaufscenter umso mehr. Verglichen mit der besten Zeit ist die Zahl der Reformhäuser generell stark zurückgegangen. Dennoch expandieren Sie. Wie kam es dazu? Zunächst durch Übernahmen bestehender Einzelge- schäfte, die nach jahrzehntelanger Inhaberführung oftmals schlicht keine Nachfolger finden, aber quali- fiziertes Personal haben. In der Fuhlsbüttler Straße, Husumund Rendsburg dagegen haben wir sogar völ- lig neu eröffnet, aber das ist in der Regel schwierig. Sprechen solche Neueröffnungen für eine ge- wisse Risikobereitschaft? Früher ja, wenngleich mir das Risiko einer Neuer- öffnung damals womöglich weniger bewusst war. Jetzt muss sich meine Risikobereitschaft mit dem Verantwortungsgefühl für Mitarbeiter und Mitar- beiterinnen arrangieren. Wenn ich Geld verliere, kann ich ihnen noch schwerer das bezahlen, was Fachkräfte im Einzelhandel für ihre Arbeit buch- stäblich verdienen. Reformhäuser sind also keine Goldgruben? Einzeln definitiv nicht, das ist selbst in guter Lage oft Selbstausbeutung. Erst Synergieeffekte vieler Geschäfte oder der gemeinsame Einkauf einer Ver- bundgruppe machen es lukrativ. Läuft es also auf weitergehende Konzentration hin zu Unternehmen wie Ihrem mit aktuell fast 40 Filialen hinaus? Ja, aber das gilt nicht nur für unsere Branche, son- dern auch für Parfümerien, Drogerien, selbst Bio- läden. Wir haben daher teils Einzelgeschäfte über- nommen, wo die Inhaber dann als Filialleiter angestellt wurden, also weiter an gleicher Stelle ar- beiten – mit weniger Verantwortung, dafür mehr Urlaub. Und wie war die Resonanz? Na ja (lacht), vier Wochen Anpassungsprobleme in- klusive kleiner Zusammenbruch sind nicht selten… Aber am Ende lohnt es sich für beide Seiten, und alle sind zufrieden. Können Sie gut loslassen, sind Sie gut im Dele- gieren? Sonst hätte ich kaum fünf Wochen Urlaub genom- men, und das parallel zu meinem Sohn, der mit ei- ner Kollegin den Einkauf leitet. Um loslassen zu können, brauche ich aber Vertrauen in meine teils langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das habe ich – obwohl man mich natürlich immer per Mail erreichen kann. Ich bin eher die Feuer- wehr als das Ordnungsamt, um Man- und Woman- power am Laufen zu halten. Welchen Einfluss hatte es auf diese Art Unter- nehmensführung, dass Ihr erster Mann, der die Firma gegründet hat, vor gut 20 Jahren gestor- ben ist? Ich entstamme ja einer Familie Selbstständiger. Mein Urgroßvater hat Zigarren verkauft, mein Großvater Lampen, mein Vater Fernseher, ich habe schon als Kind bestickte Lavendelkissen auf Floh- märkten verkauft. Nachdem ich im Unternehmen Wir sind das Anti- E-Commerce-Modell. 32 HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE

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