April/Mai 2023

CATHRIN ENGELHARDT, geboren 1967 in Hamburg, absolvierte nach ihrem Abitur in Lohbrügge eine Ausbildung zur Einzelhandelskauf- frau Diät und Reformwaren im ersten Haus der Kette in Bergedorf und heiratete Firmeninhaber Norbert Engel- hardt. Bald übernahm sie die Personalleitung und nach dem Tod ihres Mannes 2001 auch die Firma. Mittlerweile leitet ihr ältester Sohn Franz (30) den Einkauf und ist ebenso Geschäfts- führer wie Agnes Wiebicke. Cathrin Engelhardts zweiter Mann Sven Bürgel leitet die Media-Abteilung. Die 1987 als Einzelhandelsge- schäft in Bergedorf gegründete Reformhaus Engelhardt GmbH & Co. KG beschäftigt derzeit knapp 200 Mitarbeitende in 36 Filialen, die Hälfte davon in Hamburg, und 20 in der Eppendorfer Firmenzentrale. Diese haben mit 20 Millionen Euro 2022 zwar etwas weniger erwirt- schaftet als zuvor. Im ersten Quartal 2023 konnte sich der Erlös jedoch erholen. Seit 2001 leitet Cathrin Engelhardt (56) erfolgreich die gleichnamige Reformhaus-Kette und plant trotz schwieriger Lage im stationären Einzel- handel sogar Neueröffnungen. Frau Engelhardt, die Reformhäuser sind Mitte des 19. Jahrhunderts aus der industrialisie- rungskritischen, naturnahen Lebensreformbe- wegung entstanden. Wie viel dieser Ursprungs- ideale sind heutzutage noch davon übrig? CathrinEngelhardt: Also, wennman alle Strömungen der Lebensreformbewegung betrachtet, nicht mehr alles. Vor 135 Jahren gab es noch Strömungen wie Nacktgärtnern. Von unseren Produzenten zieht sich meinesWissen keiner mehr bei der Arbeit aus (lacht), aber das Naturbelassene, so natürlich wie möglich, bliebalsGrundsatz erhalten. EswarderGegensatz zur zunehmenden Industrialisierung der Nahrung. Bei der es anfangs noch gar keine Unterschei- dung in nachhaltig oder konventionell gab … Genau. Deshalbmusste sich das Reformhaus als Gat- tung immer wieder fortentwickeln. Während es frü- hermal fast eine Art Naturapothekewar, ging es zwi- schendurch eher in Richtung Feinkostsupermarkt mit damals noch seltenen Olivenölen, aber auch fri- schem Obst und Gemüse. Dieser Trend hat sich al- lerdings schon deshalb zurückgebildet, weil unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen viel zu gut ausge- bildet sind, um nur Rosenkohl zu verkaufen. Spüren Reformhäuser die Konkurrenz klassi- scher Bioläden, deren Umsatz lange Jahre ste- tig wuchs? Früher kaum, weil Reformhäuser dank ihrer sehr treuen Stammkundschaft auch sehr kontinuierlich Umsatz gemacht haben. BSE oder Dioxin haben die Peaks gelegentlichnach oben getrieben, Corona oder jetzt Krieg und Inflation auchmal nach unten. In den vergangenen zwei Jahren gingen die Umsätze bei uns deshalb leicht abwärts. Aber seit Anfang 2023 auch schon wieder aufwärts. Wobei kleinere Läden in denWohnvierteln die Rückgänge der Center-Filia- len ausgleichen. Es hält sich ungefähr die Waage. Hat die Tendenz zum Homeoffice den Straßen- filialen dahingehend geholfen, dass die Men- schen wieder im selben Viertel arbeiten, woh- nen, einkaufen? Das kann ich schon deshalb nicht sagen, weil die meisten ihre stationären Alltagseinkäufe ohnehin vor oder nach Feierabendmachen. Unsere Filiale am Gerhart-Hauptmann-Platz allerdings hat spürbar darunter gelitten, dass mehr Leute zu Hause arbei- ten. Die im Hanseviertel mussten wir auch deshalb sogar schließen. In den Wohn- und Einkaufs­ PERSÖNLICH CATHRIN ENGELHARDT

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