Dezember 2023 / Januar 2024

chen. Solche Politik ist vorrangig als Angst vor dem nächstenWahltermin zu verstehen. Fühlen Sie sich als Wirtschaftswissenschaftler und HWWI-Direktor da ausreichend von der Politik ge- hört und befragt? Wir tauschen uns auf unterschiedlichen Ebenen sehr intensiv und regelmäßig mit der Politik aus. Der Kon- takt ist hier traditionell sehr gut. Nun wird die Klima- oder Migrationspolitik aber nicht in Hamburg ge- macht, sondern in Berlin und Brüssel. Unser Problem liegt weniger darin, nicht gehört zu werden, sondern in den Ängsten der Parteien, bei Wahlen für unpopuläre Anregungen bestraft zuwerden. Dieser Reflex ist nach- vollziehbar, verhindert aber, strukturelle Probleme auch strukturell anzugehen. Die Hoffnung, im gebote- nen Tempo voranzukommen, sind bei jemandem, der sich wie ich schon lange mit diesen Themen beschäf- tigt, entsprechend gedämpft. Wobei die Devise großer Weltprobleme „global denken, lokal handeln“ lautet … Es gibt natürlich Einflussmöglichkeiten, und viele Bür- ger wollen ja von sich aus klimaneutral werden; die Handelskammer hat das bis 2040 im Visier. Aber ob- wohl das Bewusstsein dafür vorhanden ist, bleibt es ein langer Weg, der Geld und Wohlstand kostet und nur global bewältigt werden kann. Ein wichtiger lokaler Einflussfaktor ist die Mobili- tät. In Hamburg steigt die Zahl der Fahrzeuge wei- ter beständig. Mit welcher Art urbaner Mobilität sind Wirtschaft, Wachstum und Lebensqualität gleichermaßen möglich? Ich persönlich finde, dass der wesentliche Anteil des großstädtischen Verkehrs öffentlich sein sollte, nicht individuell. Auf dem infrastrukturell unterversorgten Land bleiben Autos auch für den Personentransport wichtig und in der Stadt für den vonWaren und Dienst- leistungen. Aber in der Regel sind sie die schlechtere Lösung. Auch hier ist Hamburg auf gutem Weg, ÖPNV so kostengünstig, flächendeckend und sicher auszu- statten, dass er die bessere Alternative ist. Nutzen Sie ihn persönlich auch? Da ich in der Stadt wohne, schon. Ich kann gemütlich mit U-Bahn oder Fahrrad zur Arbeit fahren, imGrunde könnte ich sogar laufen. Das Privileg der zentralen Wohnlage. Das ist mir bewusst, aber ich würde auch Bus oder Bahn fahren, wenn ichweiter wegwohnenwürde. Denn so be- quem Autos sind: Schneller kommt man im Stadtver- kehr damit selten ans Ziel. Hamburg ist wie gesagt auf einem gutenWeg, aber es geht noch viel, viel mehr. Wagen Sie eine Prognose, wie Hamburg die wichti- gen Wege im Jahr 2024 weitergeht? Abseits von der Bewältigung globaler Krisen besteht ein wichtiger Weg im erwähnten Wohnungsbau, was wegen der ungünstigen Baukonditionen aktuell aber schwer absehbar ist. AußerdemmüssenwirMenschen, die zuwandern, noch besser und geregelter in Arbeits- märkte integrieren. Ein Hamburg-spezifisches Problem ist demgegen- über die Situation des Hafens, der im internationa- len Vergleich droht, abgehängt zu werden. Machen Sie sich um ihn Sorgen? Mir fehlt die Fantasie, mir Hamburg ohne Hafen vorzu- stellen. Er wird wirtschaftlich für Hamburg immer eine herausragende Rolle spielen. Andererseits sollte man Teurer darf Bauen nicht werden. 32 HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE

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