Dezember 2023 / Januar 2024
Zu zwei weiteren Krisen – Migration und Klima – forschen Sie ebenfalls intensiv. Welchen Einfluss üben die derzeit aus? Da Deutschland die Inflationskrise bei aller Erholung so wenig gemeistert hat wie die Wachstumskrise, großen Einfluss. Zuletzt kamnoch IsraelsKonfliktmit derHamas hinzu, der ebenfalls weltwirtschaftliche Auswirkungen habenkönnte, falls etwader Iranaktiv indenKonflikt ein- steigt. Ökonomisch ruhige Zeiten sind momentan nir- gendwo am Horizont erkennbar. Und eine Krise haben wir noch gar nicht genannt: den demografischenWandel. Muss sich Hamburg angesichts des damit verbun- denen Fachkräftemangels umso mehr auf weiche Standortfaktoren wie seine Lebensqualität kon- zentrieren? Ja, dennder Fachkräftemangel ist viel mehr einArbeits- kräftemangel. Unsere alternde Gesellschaft braucht nicht nur hoch-, sondern auch normal- oder geringqua- lifizierte Menschen. Weil dafür angesichts all der Kri- sen oft die nötige Aufmerksamkeit fehlt, spielen Soft Skills lebenswerter Standorte neben guten Löhnen und Gehältern umso größere Rollen. Mit seiner eigenen Schönheit und Funktionalität werben zu können, ist da ein wichtiger Faktor – gerade bei den High Potentials. Denjenigen, die sich Annehmlichkeiten einer schö- nen, funktionalen Stadt auch leisten können. Für Ärmere sind solche Faktoren zwangsläufig oft we- niger wichtig. Aber zu den Soft Skills zählen auch leich- te Erreichbarkeit, erschwinglicher Wohnraum, Kin- derbetreuung, Sicherheit, Bildung, vom Kulturangebot mal ganz zu schweigen. Das alles spielt im Kampf um Arbeitskräfte mit. Lebensqualität ist ein weiter Begriff. Was können Wirtschaft, Politik, Gesellschaft ge- meinsam tun, um sie 2024 weiter zu verbessern? Indem sie spezifisch hamburgische Themen aufgrei- fen, vor allem den Bereich bezahlbares innerstädti- sches Wohnen, eines unserer herausragenden Proble- me. Es gab da in Hamburg absolut ernsthafte Bemühungen, aber sie waren bislang definitiv noch nicht ausreichend – und fanden überdies in einem in- vestitionsfreundlicheren Zinsumfeld ohne Probleme bei der Materialversorgung statt. Nicht umsonst haben ein paar Großbaustellen gerade Pause. Wie regulierend darf der Staat denn künftig ein- greifen, um die Standortqualität zu erhalten oder gar zu steigern – etwa durch Verpflichtungen, Bauland auch zu bebauen? Ach, da bin ich dann doch eher auf Seiten der freien Marktwirtschaft und wäre dagegen, etwa Menschen zu enteignen, um Wohnraum zu schaffen. Besser als das Vertrauen von Investoren durch bürokratische Rah- menbedingungen bis hin zum staatlichen Eingriff zu zerstören, ist es, die nötigen Anreize zu erhöhen. An- ders sieht es mit Bauflächen aus, auf die der Staat un- mittelbaren Zugriff hat, oder beim Planungsrecht, das eher entschlackt als verkompliziert werden sollte. Teu- rer darf Bauen nicht werden aktuell. Wie kriegen wir Politik und Wirtschaft besser ver- einbart? Anlassbezogen. In der Pandemie war es richtig, ord- nungspolitische Maßnahmen auch durchzusetzen. Langfristige Phänomene wie der Klimawandel oder Arbeitskräftemangel erfordern auch langfristige Kon- zepte, von denen viel zu wenige im Schreibtisch liegen. Aber der Staat darf da auch nicht allzu regulierend ein- greifen, sondern sollte die bestehenden Möglichkeiten erst mal richtig anwenden. Zum Beispiel? Über die CO2-Bepreisung. Immer dann nämlich, wenn Preise steigen, schafft der Staat reflexhaft Ausnahme- regelungen, die beim Anstieg der Energiepreise zum Tankrabatt führten – zu Lasten des eigentlichen Ziels, weniger Treibstoff zu verbrauchen. Natürlich gibt es Bürgerinnen und Bürger, die auf staatliche Hilfe ange- wiesen sind. Aber die pauschale Entlastung aller hilft tendenziell den falschen, die wegen der künstlich nied- rigen Preise wiederum mehr statt weniger verbrau- → 31 WWW.HK24.DE
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