Dezember 2021/Januar 2022
HAMBURGER WIRTSCHAFT 42 FOTOS: ISADORA TAST (3) BRANCHEN REPORT EXISTENZGRÜNDUNG Drohende Maschinenausfälle per Software ermitteln: Lena Weirauch gründete ihr Unternehmen ai-omatic solutions kurz vor Beginn der Pandemie. Robert Kosobucki und Hasib Khan starteten den Lieferdienst Bringoo imNovember 2020. aus; trotzdem gilt das Biotop schon des- halb als fruchtbar, weil es 19 Hochschu- len und diverse Digitalhubs mit Nach- wuchs versorgt. Für Schlüters Kollegen Axel Hoops, der in der Handelskammer die Abteilung „Gründung, Förderung und Finanzmarkt“ leitet, helfen auch sie dabei, den „Blu- menstrauß neuer Start-ups“ zu bestü- cken. Ein farbenfrohes Blütenmeer, das der pandemiebedingte Digitalisierungs- schub in den Kernbranchen – von Logis- tik über Informationstechnologie bis hin zuMedien – trotz privater Nöte, bürokra- tischer Hürden und steigender Gewerbe- mieten sogar noch nachkoloriert habe. Etwa im wachsenden Beet der Ex- presslieferung – der „Quick Delivery“, der jeder Lockdown Kundschaft und da- mit Umsatz bringt. Lieferdienste imAufschwung „Für uns“, erinnert sich Robert Kosobucki an den November 2020, als der Rhein länder in seiner Wahlheimat Hamburg den Expresslieferdienst Bringoo online stellte, „war Corona zugleich Krisenursa- che und Wachstumsmotor, Problem und Initiation.“ Während Wettbewerber wie der pa rallel eröffnete Lokalrivale Flink mächtig aufs Servicetempo drücken, will Bringoo „Konsumenten mit lokalen Händlern verbinden“. Statt auf eigene Lager setzt das Teamvon Kosobucki und seinemMit- gründer Hasib Khan auf das Asset-Light- Konzept kommissionierter Waren – und verspricht keine Lieferung binnen weni- ger Minuten, sondern innerhalb einer Dreiviertelstunde per Lastenrad oder Pkw. Bringoo will also nicht nur die örtli- che Infrastruktur schonen, sondern auch die gut 100 Kuriere in sieben Städten. Schwer zu sagen, ob das Geschäfts- prinzip des in Wandsbek residierenden Betriebs Schulemacht. Noch schwerer zu sagen, ob es dem physischen Einzelhan- del im Ringen mit E-Commerce und dem Zeitgeist weiterhilft. Und am schwersten ist es sicher, zu beantworten, wann Brin- goo seine Investitionen amortisiert. Dass Kuriere lieber arbeiten, wenn sie gut behandelt werden, ist jedenfalls unstrittig. Christian Wolff hat es am ei- genen Leibe erlebt und daraus ein weite- res Krisen-Start-up gemacht. Als es dem 42-jährigen Unternehmensberater im Sabbatical „mal wieder zu ruhig war“, wie er sich lachend an Momente der Un- tätigkeit erinnert, hatte ihmder befreun- dete „On Board Courier“ (OBC) Rico Förs- ter nämlich empfohlen, selbst einer zu werden. Gute Idee, schlechtes Timing. Onboard-Kuriere und -Kurierinnen, nur zur Erklärung, fliegen vom unent- behrlichen Ersatzteil bis zum unter- schriftsreifen Vertrag alles um den Glo- bus, was die globale Wirtschaft am Lau- fen hält. Nur: 2019 lief das essenzielle Nischengeschäft „noch mit Fax, Telefon, Mails und Chaos ohne konkrete Haf- tungsketten“, wie Wolff berichtet. Also programmierte er eine cloudbasierte Software zur digitalisierten Notfall-Logis- tik, die alle Beteiligten per App verbindet. PRIOjet, so der Name des Unterneh- mens, suchte nach Menschen, die inves- tierten, fand Referenzkundschaft, zog ins Digital Hub Logistics Hamburg und plante mit Blick über die Speicherstadt den Markteintritt – als plötzlich der Transport weltweit zumErliegen kam. Wie Lena Weirauch hatten also auch diese Gründer hanseatischen Kauf- mannsstolz vor Augen, aber Corona im Nacken. Wie ai-omatic solutions nutzte PRIOjet die Zeit zum Feinschliff der Al- gorithmen und ging damit Ende 2020 an den Start. Und wie die Wartungsfach- leute am Rathaus fanden auch die Trans-
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