Dezember 2021/Januar 2022

HAMBURGER WIRTSCHAFT 20 FOTOS: JAN-RASMUS LIPPELS, PRIVAT PRO & KONTRA Die Tempo-30- Zone ist eine Idee aus Niedersachsen und wurde 1983 in der Innenstadt von Buxtehude einge- führt. Bereits zwei Jahre später be- schloss das deut- sche Parlament, die 30er-Zone auch in anderen Städten umzusetzen. Wer in diesen ausgewiese- nen Bereichen zu schnell fährt und erwischt wird, muss zahlen. Wie viel, hängt davon ab, um wie viel er die zulässige Höchst- geschwindigkeit überschritten hat. Zu schnelles Fah- ren kann zwischen 30 und 800 Euro kosten und zudem Punkte einbringen. Ab einer Ge- schwindigkeits- überschreitung von 31 Stundenkilome- tern droht ein Fahrverbot. Mehr Informationen unter www.buss geldkatalog. org/30-zone Ja, es reduziert Gefahren Jens Deye (42), Vorstandsmitglied VCD Nord Die (Innen-)Stadt und der Straßenverkehr unterlie- gen einemWandel. Allein schon die Klimaziele Ham- burgs, wonach der Autoverkehr (MIV) bis 2030 mehr als halbiert werden muss, zeigen dies deutlich. Die Veränderungen sind vielfältig. Der Radverkehr nimmt seit Jahren erheblich zu. Es wird ihm auch immer mehr Platz auf der Straße gegeben. Die Fahr- bahn gehört also nicht mehr den Autofahrenden allein. Eine Angleichung der Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer:innen ist daher dringend not- wendig. Außerdem wird der Bürgersteig immer mehr auch als Lebensraum wiederentdeckt. Die vie- lenParklets der Gastronomie zeigendies klar. Es wird also höchste Zeit, die beträchtlichen BelastungenundGefahrendurch denAutoverkehr in der Stadt zu reduzieren. Tempo 30 und weitere verkehrsbeschränkende Maßnahmen bieten dazu einfache und schnell umsetzbare Möglichkeiten. Andere Städte wie zum Beispiel Paris machen es vor, wie so ein ganz neues Stadtgefühl entstehen und wie damit auch die für den Klimaschutz notwendige Mobilitätswende vorangebracht werden kann. Das Gute: Hamburg kann schon heute dank vielerMittel zur Verkehrsberuhigung inder Straßen- verkehrs-Ordnung (StVO) diesen Wandel selbst um- setzen. Die StVO-Novelle von 2016 fordert ausdrück- lich deutlichmehr Tempo 30 auch auf Hauptstraßen. Die jüngst verabschiedete Novelle ermöglicht es sogar, dies flächendeckend als Verkehrsversuch um- zusetzen, zum Beispiel in der gesamten Innenstadt. Was dafür allerdings noch fehlt, ist der politische Wille. Über 1000 Hamburger:innen haben schon An- träge auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen zur Durchsetzung von Tempo 30 gestellt, der Wille der Bürger:innen ist also da. Packen wir es an und ma- chenHamburgmit Tempo 30 leiser und sicherer! Nein, Wohngebiete würden leiden Hanno Huijssen (64), Vorstand Technik & Verkehr ADAC Hansa e.V. Wenn man sich die Statistik anschaut, dann ist Tempo 30 in Hamburg bereits heute die Regel und nicht die Ausnahme. Auf dem über 4000 Kilometer langenStraßennetz gilt aufmehr als 2100Kilometern Tempo 30. Und das ist auch gut so: Gerade in Wohn- quartieren und vor sensiblen Bereichen wie Schulen oder Kindergärtenmacht Tempo 30 aus Gründen der Verkehrssicherheit Sinn. So verkürzt sich der Anhal- teweg von knapp 30 auf 15 Meter. Im Ernstfall kann dieDifferenz entscheidend sein. Trotzdem würde eine generelle Anordnung von Tempo 30 die Verkehrssicherheit nicht erhöhen, sondern gefährden. 70 Prozent des Verkehres in Hamburg fließen auf dem 550 Kilometer großen Hauptverkehrsstraßennetz. Durch Tempo 30 be- steht die Gefahr, dass dieHauptverkehrsstraßen ihre Bündelungsfunktion verlieren, was zu Folge hat, dass sich die Verkehrsströme zusätzlich in die Wohnge- biete verlagern. AuchdieUmweltwürde nicht profitieren. Das ist das Ergebnis einer Studie der Landesanstalt für Um- welt, Messungen und Naturschutz Baden-Württem- berg: „30 km/h führte zu Verschlechterungen der Emissions- und Kraftstoffverbrauchssituation.“ Was paradox anmutet, erklärt sich durch die Fahrzeug- technik: Bei Tempo 50 fahren Autos in einem höhe- renGang und sind damit effizienter. Zudem würde man der Verkehrswende einen Bärendienst erweisen. Hamburg investiert seit 2014 260 Millionen in ein Busbeschleunigungsprogramm. Ziel ist es, durch eine Vielzahl von Maßnahmen die Umlaufzeitender Busse zuverringernund somit eine höhere Kapazität zu schaffen. Mit Tempo 30 wären diese Investitionen umsonst gewesen. Das Ziel des überall in Hamburg geltenden Fünf-Minuten-Taktes rückt so innochweitere Ferne. Sollte in Hamburgs City so wie in Spanien und Paris für Autos generell Tempo 30 gelten?

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