OKTOBER/NOVEMBER 2025
In Hamburg sind immer noch viele Talente, die man an anderen Standorten nicht bekommt. LIANE SIEBENHAAR Liane Siebenhaar ist Sprecherin der Geschäftsführung der 1981 in Hamburg gegründeten Werbeagentur Scholz & Friends. Der „Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA e. V.“ weist in seinem „Frühjahrsmonitor 2025“ einen durchschnittlichen Umsatzrückgang von 0,9 Prozent für 2024 aus. Liane Siebenhaar ist Sprecherin der Geschäfts führung von Scholz & Friends Hamburg, wo man unter anderem für McDonald’s arbeitet. Auch sie streitet die angespannte Lage in der Branche nicht ab. Ihre Stadt sieht sie dennoch in einem wichtigen Bereich vorn: „In Hamburg sind immer noch viele Talente, die man an anderen Standorten nicht be kommt. Viele dachten, das Talent würde sich irgend wann nach Berlin verlagern. Es ist auch sehr stark geworden, aber wir sehen dort noch mehr inter nationale Einflüsse, und man konzentriert sich auf Social Media, Influencer Marketing und andere pop kulturelle Wege. Bei uns in Hamburg bekommt man aber die besten Markenstrategen und insgesamt strategische Expertise.“ Automatisiert durch KI Standortunabhängig mischen die Branche derzeit rasante KI-Entwicklungen auf. Die markanteste Ver änderung sieht Siebenhaar in der automatisierten Aufbereitung unterschiedlicher Werbebotschaften einer Kampagne, so genannter Assets: „Momentan hat man in manchen Kampagnen noch 400 bis 700 Assets. Das sind sämtliche Formate, die für unter schiedliche Zielgruppen und Kanäle generiert wer den – Filme, Banner, Social-Media-Posts.“ Mit dieser Arbeit verdiene die Werbung derzeit noch einen ge wissen Teil ihres Geldes. Genau dieser Posten werde aber durch Künstliche Intelligenz sehr schnell auto matisiert. „Wir werden den Prozess maximal noch dirigieren.“ Max Lederer, Vordenker bei Jung von Matt, glaubt gar an eine noch größere Veränderung seiner Branche. „Wenn ich mit meinen Digital- und KI- Fachleuten über Werbeformen spreche, kommen wir zu dem Schluss, dass langfristig wahrscheinlich nur noch PR, Out of Home und echte Erlebnisse, die ich draußen haben kann, überleben“, berichtet er. Menschen fühlten längst eine Übersättigung imdigi talen Raum, sodass sie sich nach echten Außener fahrungen sehnen. Aber das werde keine Werbung imklassischen Sinne mehr sein. Liane Siebenhaar hingegen glaubt nach wie vor an klassische Werbeformen – auch und gerade im digitalen KI-Zeitalter. Audio wird ihrer Ansicht nach unterschätzt. Radio lasse zwar etwas nach, aber die Bedeutung von Podcasts steige stetig an. „Video, also Film, erlebt auch eine Renaissance. Und TV ist im mer noch das wichtigste Medium.“ Die beste Vorge hensweise sei es, TV, Out of Home und Social Media zu kombinieren. Damit schaffe man den größten „Impact“. Beste Chancen für Generalisten Auch auf die Frage, welche Werber in der Zukunft noch gefragt sein werden, hat Liane Siebenhaar eine absolut klare Meinung: „Kreative Generalisten werden die besten Chancen haben. Früher hat man für eine Kampagne immer Art Direction und Texter kombiniert. Heute kann auch ein ,Arter‘ mithilfe HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE 32 FOTOS: SCHOLZ&FRIENDS HAMBURG, ACCENTURE SONG WERBE BRANCHE Meta-Chef Mark Zuckerberg skiz- zierte in einem viel beachteten Interview mit der Analyse-Website „Stratechery“ eine Zukunft des Wer- bemarktes ohne Kreativagenturen, Mediaplaner und Analyseberater. Sein Unternehmen möchte mit KI- Tools die komplet- te Werbekette automatisieren – vom Briefing bis zur Erfolgs- messung. In dieses Projekt will Zuckerberg 650 Milliarden Dollar investieren. www.t1p.de/mz- werbung Hamburg setzt Maßstäbe: Laut HW-Recherche ist Dock 10 die zweitgrößte permanente Einzelwerbefläche in Deutsch- land. ERIC LEIMANN von KI Texte generieren, und ein Texter kann Bil- der prompten. Vielleicht hat auch ein Berater Lust, Strategien zu entwickeln. Oder ein Stratege könnte kreative Aufgaben übernehmen. Vieles ist heute möglich.“ Offenbar muss die Werbebranche im KI-Zeit alter auch in ihrer Selbstorganisation sehr kreativ werden, um ihren Bestand zu sichern. „Originalität und Kreativität wird auch in naher und in mittlerer Zukunft keine Maschine können“, ist Max Lederer überzeugt. „All das, was ‚Delivery‘ betrifft, wo wir also Geld für Stunden abrechnen, in denen etwas hergestellt wird, wird massiv durch KI automatisiert werden.“ Der Chief Innovation Officer von Jung von Matt blickt trotz allemselbstbewusst nach vorn. „Ich appel- liere daran, auch als Hamburger Werbebranche stolz auf unsere Leistungen zu sein“, berichtet er. „Dennwir setzen große, weltweit ausgezeichnete Kampagnen um. Wir sollten uns unsere Narrative nicht von den PR-Abteilungen von Microsoft und anderen diktieren lassen. Wir beraten, entwerfen und organisieren seit Jahrzehnten hochkomplexe Kommunikationspro- zesse. Wir dürfen uns nicht verunsichern und von Mark Zuckerberg erzählen lassen, dass er bald die ge- samteWerbung selbstmacht.“ (siehe Randspalte). WERBE BRANCHE
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