OKTOBER/NOVEMBER 2025
Mit Medien Geschichte schreiben Die Hansestadt galt schon 1800 als deutsche Pressehauptstadt – und etablierte sich ab 1945 für lange Jahre als führender Medienstandort. Doch in den vergangenen Jahrzehnten haben einige Schwergewichte die Stadt verlassen. Nachlesen Die Stabi hat zahlreiche histori- sche Zeitungstitel digitalisiert – die eigenen Bestände des „Hamburgi- schen Correspon- denten“ ebenso wie die der gro- ßen Zeitungen des 19. Jahrhun- derts. Sie finden die Titel unter: zeitungen.sub. uni-hamburg.de . Die Commerz- bibliothek hält ebenso viele his- torische Zeitun- gen zur Ansicht bereit: www.com merzbibliothek.de Am 25. Dezember 1952 beginnt der NWDR in Hamburg mit der Ausstrahlung eines täglichen Abendprogramms. Hamburg einfiel, lag an rund 50 Jahren Nachkriegs- Pressegeschichte. Wobei: Als Pressestadt hatte sich Hamburg schon im 18. Jahrhundert etabliert, nach- dem der Schiffbeker Verlag von Hermann Heinrich Holle 1731 erstmals die „Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspon- denten“ (oder kurz „Hamburgischer Correspondent“) in der Hansestadt herausbrachte. Das Blatt wurde zu Hamburgs erster Tageszei- tung, war imganzen Jahrhundert die auflagenstärkste Zeitung im Norden Deutschlands und entwickelte sich zu einer Art Leitmedium mit internationalem Korrespondentennetz und bekannten Autoren wie Lessing oder Matthias Claudius. Um 1800 war es die größte Zeitung Europas. Von liberalem Geist und be- kannten Autoren geprägt war auch der Verlag, den der schlesische Buchhändler Benjamin Hoffmann 1781 in W enn es um besondere Produkte geht, schmücken sich etliche Städte gern mit dem Titel „Hauptstadt“. Solingen ist die Hauptstadt der Messer, Meißen die des Porzellans, Parma ist berühmt als Schinken-Kapitale. Und Ham- burg? Die Hansestadt ist nicht nur Hafen- und Han- delsmetropole, sondern wird auch als Medienhaupt- stadt gesehen – einwohlklingender Titel, derweit über die Stadtgrenzen hinaus strahlt. So hell, dass er selbst den James-Bond-Macherneinst indieAugen fiel. Als 007 die Welt 1997 vor einem bösen Verleger retten musste, begann er seine Jagd fast folgerichtig an Alster und Elbe. Die Story eines Medienmoguls, der für Profite den Dritten Weltkrieg anzetteln würde, war zwar an Pierce Brosnans Haaren herbei- gezogen. Aber dass den Filmemachern bei der Suche nach einem Redaktionsstandort in Deutschland HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE 26 PRESSE GESCHICHTE FOTOS: BENNO WUNDSHAMMER/BPK-FOTOARCHIV, SUB HAMBURG 1731 erschien in Hamburg erstmals die „Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“. JAN FREITAG Hamburg gründete und der 1810, während der franzö- sischen Besatzung, mit dem seines Schwiegersohns August Campe verschmolz. Ab 1827 veröffentlichte etwa der engagierte Journalist und Dichter Heinrich Heine seineWerke bei HoffmannundCampe. Statt Hofberichterstattung betrieb der Stadt- staat Hamburg informationelle Grundversorgung. 1796 gründete Friedrich Christoph Perthes hier eine der ersten Sortimentsbuchhandlungen in deutschen Landen. Und das Pressewesen, das in Hamburg und Altona bereits Ende des 18. Jahrhunderts aufblühte, wuchs im 19. Jahrhundert rasant weiter – mit Mas- senblättern wie den „Hamburger Nachrichten“, dem „Hamburger Fremdenblatt“ oder auch dem „Ham- burg-Altonaer Volksblatt“ und der „Börsen-Halle“. Neuanfang nach 1945 In der Weimarer Republik konzentriert sich das Zei- tungs- und Verlagswesen auf Berlin – und ab 1933 wer- den im ganzen Land Zeitungen und Verlage „gleichge- schaltet“ oder verschwinden. Doch ab 1945 entwickelt sich Hamburg zum Standort, der die bundesrepubli- kanische Publizistik jahrzehntelang dominiert. Den Grundstein legen dabei nicht gedruckte, sondern gesendete Medien: 23 Stunden nach der Ka- pitulation der Hansestadt geht „Radio Hamburg“ im Funkhaus des vormaligen „Reichssenders Hamburg“ an der Rothenbaumchaussee auf Sendung – als ers- ter Nachkriegssender. Im September 1945 entsteht daraus der NWDR, die Keimzelle des föderalenRund- funksystems. Fünf Jahre später macht der Sender auf Initiative des BBC-Reporters Hugh Greene erste Fernsehversuche im Hochbunker Heiligengeistfeld, Weihnachten 1952 schreibt er dann mit der „Tages- schau“ Geschichte. Schon bald sind es aber vor allem Zeitungsverle- ger, die der Stadt ihren journalistischen Stempel auf- drücken. Nach Kriegsende bauen Gerd Bucerius und Henri Nannen, Rudolf Augstein und Heinrich Bauer, Axel Cäsar Springer und Kurt Ganske, Richard Gru- ner und John Jahr reichweitenstarke Printmarken in Hamburg auf oder siedeln sie hier an. „Die überregio- nale Presse der Stadt gewann immer mehr Einfluss auf die im Aufbruch befindliche Gesellschaft“, schreibt Dr. Dirk Reder 2015 im Jubiläumsband „Wir handeln für Hamburg“ zum350. Geburtstag der Han- delskammer. Magazine wie der „Stern“, Zeitungen wie die „ZEIT“, Illustrierte wie „Brigitte“, Programmhefte wie „Hörzu“ und – nicht zu vergessen – der „SPIE- GEL“ definieren lange Jahre die herrschenden Dis- kurse der Republik. Ein Geschäft, das Milliarden produziert, aber dem Gemeinwohl dient und 1986 nochmals Fahrt aufnimmt. Nachdem der Jahreszei- ten Verlag mit „Tempo“ den US-amerikanischen „New Journalism“ importiert, revolutioniert das In- fotainment der neuen Verlagsgruppe Milchstraße die Neunziger – mit Blättern von „TV Spielfilm“ über „Fit for Fun“ bis hin zu „Amica“. Im TV-Bereich jedoch hat Hamburg Ende der 1980er bereits den Anschluss verpasst: Nach der Zu- lassung von Privat-TV siedeln sich die neuen Sender wie RTL, Sat.1 oder ProSiebennicht inderHansestadt, sondern in Köln, Mainz oder Unterföhring an. Da hilft es auch nicht, dass die städtische Filmförderung in Hamburg ab 1991massiv inTV-Formate investiert. Ab den 2000er-Jahren geht dann auch die Bedeu- tung der gedruckten Presse in der Hansestadt zurück, insbesondere die der Tagespresse. Im Zuge der wach- senden Verbreitung von Gratismedien im Internet sinken die Auflagen; etliche Verleger beschließen zudem, näher an die Hauptstadt zu rücken. „BILD“ und „BILD AM SONNTAG“ gehen bereits 2008 nach Berlin, weitere Axel-Sprin- ger-Blätter folgen inden 2010ern oder werden verkauft. Auch der „ZEIT“- Verlag verlegt zentrale Ressorts in die Hauptstadt. G+J bleibt zwar in Ham- burg, geht 2021 jedoch in der Kölner RTLGroup auf und stellt ab 2023 zahl- reiche Zeitschriften ein oder veräu- ßert sie. Und im April 2024 wechselt die „Hamburger Morgenpost“ zu ei- nem reinen Online-Angebot plus Print-Wochenendausgabe. MOPO-Geschäftsführer Arist von Harpe nennt den „Aufstieg des wiedervereinten Berlins und seiner Verheißungen“ als wichtigen Grund für den Abstieg seines „phasenweise selbstgefällig gewordenen“ Standortes. Diesen sieht auchLarsHaider geschwächt. Von Irrelevanz will der „Abendblatt“-Chef aber nichts hören – und nennt neben gewichtigen Leitmedien von „ARD-aktuell“ bis „SPIEGEL“ auch Formate wie die Talkshows von Markus Lanz und das OMR-Festival. Und die FunkeMediengruppe (zu der das „Abendblatt“ gehört) baut hier, soHaider, nachÜbernahme vonG+J- Titelneinen starkenStandort auf. Zum Standort bekennt sich auch die Bauer Me- dia Group (Heinrich Bauer Verlag), Deutschlands auf- lagenstärkster Zeitschriftenverlag. Schon deshalb habe die Stadt „besondere Bedeutung“. Und für den Rest der Republik auch. Schließlich trägt die Gruppe mit ihren Zeitschriften, insbesondere aus dem TV- Bereich, zusammen mit Blättern wie „SPIEGEL“ und „ZEIT“ maßgeblich dazu bei, dass Hamburg als Pressestadt nach wie vor bei Weitem führend in Deutschland bleibt. WWW.HK24.DE 27 PRESSE GESCHICHTE
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz