OKTOBER/NOVEMBER 2025
lich an unser Publikum heranzukommen. Ab dem nächsten Jahr werden wir unser Ticketing inhouse organisieren. Bei diesen Prozessen hilft uns sehr, dass wir ein tolles gemischtes Team haben mit ganz ver- schiedenen Erfahrungen von jung bis alt – alles dabei. Sind die unterschiedlichen Berufsgruppen das eigentliche Kapital des Unternehmens? Das ist tatsächlich das, was mich nach wie vor am meisten begeistert: Dass wir innerhalb einer Com- pany alles zu bieten haben. Von Development, Fi- nance, PR und Branding über Theaterleitung, Stage- management, Requisite, Bühnentechnik und Orchester bis hin zu unseren Darstellenden. Der Begriff Human Resources klang für mich immer sehr technisch. Um unsere Unternehmenskultur noch stärker in den Fokus zu rücken, haben wir un- sere Personalabteilung in „People & Culture“ umbe- nannt. Mit Fragen wie: Wofür stehen wir? Welche Menschen wollen wir bei uns haben? Nach der Pandemie war es schwer, Fachkräfte zu gewinnen, gerade im Bereich Veranstal- tungstechnik. Wie ist die Lage aktuell? Wir suchen immer gutes Personal, vor allem im handwerklichen und technischen Bereich. Aber unsere Situation hat sich enorm verbessert. Wir ha- ben viele Interessenten auf freie Jobs, weil wir als Arbeitgeber, glaube ich, gut in die Zeit passen; in Be- zug darauf, was junge Menschen suchen. Oftmals ist das Lamento zu hören, die „Gen Z“, also die jetzt nachrückende Generation, sei nicht arbeitswillig. Wie stehen Sie dazu? Ich kann dieses Bashing von jungen Menschen nicht ertragen. Dieses „Alsowir früher…!“ Dawill ich über- haupt nichtmitmachen. Es gibt nichts Bereichernde- res, als jungeMenschen ins Teamzu holen. Wir müs- sen als Unternehmen Sorge tragen, dass wir uns gut durchmischen und nicht zu sehr in einer Altersgrup- pe bleiben. Was sich ein bisschen verändert hat, sind bestimmte Priorisierungen. Die Work-Life-Balance- Diskussion finde ich gar nicht so schlecht. Sich also zu fragen: Wie viel schaffe ich wirklich? Ab wann gehe ich über meine Grenzen? Bei uns gibt es durch- aus einen Erfolgsdruck. Und dann geht es eben da- rum, dass die Mitarbeitenden fit sind. Was ich sehr interessant finde: dass es viel mehr junge Väter gibt, die Elternzeit nehmen. Das boomt bei uns. Sie haben jüngst einen Diversity-Tag veranstal- tet. Wie wirkt sich dieses Engagement positiv auf das Unternehmen aus? Es war uns schon immer ein Anliegen, dass Men- schen mit jedem Hintergrund bei uns arbeiten. In den Fokus gerückt ist das Thema noch einmal ver- stärkt durch die „Me Too“-Debatte und die „Black Li- Es gibt nichts Bereichernderes, als junge Menschen ins Team zu holen. HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE 20 vesMatter“-Bewegung in denUSA. Wir haben uns als Unternehmen dazuwöchentlich international ausge- tauscht und reflektiert. Aus dieser Arbeit ist auch die deutsche „Diversity & Inclusion“-Gruppe entstan- den, die aus den Mitarbeitenden selbst besteht, also ausdrücklich nicht „top down“ funktioniert. Für de- ren Aktionen undMaßnahmen gibt es ein Budget. Daraus haben sich viele tolle Entwicklungen er- geben, zum Beispiel unser „Earcatch“, eine Applika- tion für Gästemit Seh-Einschränkungen, bei der eine Stimme über Kopfhörer synchron die visuellen Ele- mente der Show erläutert. Wir haben einen Work- shop gemacht, um die Anzahl von Dirigentinnen für unsere Orchester zu erhöhen. Und unsere „Hair & Make-up“-Abteilung wurde auf den Umgang mit Afro-Haaren geschult. Wichtig ist, dass Diversität nicht einfach plakativ nach außen getragen, sondern imUnternehmenwirklich gelebt wird. Inwiefern begünstigt die Internationalität der Stage Entertainment solche Prozesse? Uns macht als Firma aus, dass wir länderübergrei- fend zusammenarbeiten. Wir haben zum Beispiel internationale Producer-Meetings, bei denen sich alle austauschen, die Shows auf die Bühne bringen. AuchManagement, Finance und Commercial-Abtei- lung aus den Niederlanden, Spanien, Frankreich, Italien, England und den USA arbeiten eng vernetzt miteinander. Daraus ergeben sich immer wieder neue Perspektiven. Was in Deutschland funktio- niert, ist zum Beispiel noch lange nicht auf den spa- nischen Markt übertragbar. Die gesamte Live- und Kulturbranche hat mit gestiegenen Kosten zu kämpfen. Wie sehr be- lastet das die Stage Entertainment? Das ist die größte Herausforderung: Die externen Kosten sind explodiert – besonders bei allem, was mit Vermarktung zu tun hat. Früher haben wir – neben der Außenwerbung – noch in TV, Radio und Print geworben. Jetzt haben sich die Kanäle verviel- facht. Und dieser Content will produziert werden. Das bedeutet für uns, dass wir Prozesse schlanker gestalten müssen. Wie können wir zum Beispiel das Digitale effizienter nutzen? Wo lässt sich KI einset- zen? Hinzu kommt, dass die Menschen momentan mehr Geld zum Leben ausgeben müssen. Deshalb können wir unsere Ticketpreise gar nicht so steigen lassen wie unsere Kosten. Ein Versprechen machen wir allerdings: Wir tasten unsere Show-Qualität nicht an. Ein weiterer Aspekt ist das Thema Ener- gie. Unsere Shows brauchen sehr viel Strom. Das Thema Nachhaltigkeit ist akut wie nie. Wel- che Bestrebungen gibt es in diesem Bereich? Das Thema Nachhaltigkeit setzen wir auf ganz unterschiedlichen Ebenen in unserem Facility Ma- nagement um. Von Solarpanelen auf den Dächern unserer Theater über LED-Beleuchtung bis hin zu neuen Lüftungsanlagen, durch die sich mit warmer Abluft heizen lässt. Ihre beiden Theater an der Elbe stehen auch für einen Wandel in der Nutzung des Hafens. Wie ist das Verhältnis der Stage Entertainment zur Wirtschaft in der Stadt? Da hat sich über die Jahrzehnte sehr viel geöffnet. Ich erinnere mich an die Anfangszeit, in der viele uns als Unternehmen nicht richtig zuordnen konn- ten. Im Sinne von: Ihr seid kein subventionierter Kulturbetrieb, aber Wirtschaft seid ihr auch nicht wirklich. Mit dem Erfolg von „König der Löwen“ ist da vieles klarer geworden. Alsowas das allein für ein touristisches Erlebnis ist, mit dem Boot über die Elbe zum Theater zu fahren und dann auf das Pano- rama der Stadt zu blicken. Dadurch wird der Hafen zelebriert. Seit 25 Jahren haben wir eine Koopera- tion mit der HADAG. Die Fähren shutteln unsere Gäste, die diesen Service nicht extra zahlenmüssen. Unsere Wertschöpfungskette ist groß. Wir bringen viele Menschen nach Ham- burg. Und die lassen ein Vielfaches von dem, was sie an Ticketgeldern bezahlen, in Gastronomie und Hotellerie. Da sind wir sehr gut vernetzt. Studio Hamburg wiederum baut für uns alle Bühnen- bilder, die wir nicht von einer bereits bestehenden Produktion übernehmen können. Wie wird Hamburg als weltweit dritt- größter Musical-Standort internatio- nal wahrgenommen? Dominieren der New Yorker Broadway und das Londoner West End die Branche, oder hat auch Hamburg glo- bales Gewicht? Das ist definitiv passiert. Unter anderem dadurch, dass wir 2012 mit „Rocky“ das erste Mal ein Musical zuerst in Deutschland produziert haben und die Show dann erst danach an den Broadway gegangen ist. Eine sehr große Rolle hat dann die deutsche Adaption von „Hamilton“ gespielt. Nicht nur von der internationalen Presse, auch von Lizenzgebern und Produzenten kamdas Feedback, dass sie diese Quali- tät nie erwartet hätten, angefangen bei der Überset- zung aus dem Englischen. Das hat eine andauernd große Strahlkraft entfaltet. In den ersten zehn, fünf- zehn Jahren mussten wir den Standort Hamburg und dessen Wirtschaftskraft international noch stark erklären. Jetzt rennen sie uns die Bude ein. Uschi Neuss (li.) im Gespräch mit Birgit Reuther WWW.HK24.DE 21 PERSÖNLICH USCHI NEUSS
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