OKTOBER/NOVEMBER 2024
gibt es viel mehr Gründungen und deutlichmehr Funding, also Finanzierung. Man könnte durchaus sagen, dass die Start-ups und die Investoren 90 Prozent ihrer Zeit dort verbringen, sich dann noch zu acht Prozent auf der ganzen anderen Welt um- gucken und dann vielleicht noch zwei Prozent in Deutschland. Diese Zahlen sind völlig aus demHut gezaubert, aber vielleicht illustriert es die Dimensionalität. Die Handelskammer setzt sich ja dafür ein, dass die Ham- burger Wirtschaft bis 2040 klimaneutral wird. Glaubst du, dass das möglich ist? Ganz stark, aus vollemHerzen! Es wird aber sehr anstrengend, und zwar noch viel anstrengender, als viele Bürgerinnen und Bürger sich vorstellen können. Auch die Narrative in den Me- dien müssen sich da noch etwas anpassen, denn momentan hört sich das oft an wie ein „Nice to Have“ an. Nein, dafür müs- sen wir mit voller Kraft aktiv sein. Und das heißt tatsächlich auch „Ja“ zu Elektrofahrzeugen zu sagen und eben nicht in der Stadt mit SUVs fahren. Das wird sich langfristig auch über den Preis regeln. Wir haben es mal durchgerechnet: Ein fairer und machbarer Preis von E-Fuels könnte so bei drei bis vier Euro pro Liter liegen. Natürlich weiß ich, dass die Welt jetzt schon bei zwei Euro pro Liter Benzin stöhnt. Aber wenn die CO2-Steu- er voll reinschlägt, wird auch das teurer werden. Wenn die Erderwärmung weiter zunimmt, steht den Men- schen irgendwann das Wasser im wahrsten Sinn des Wortes bis zum Hals. In Hamburg vielleicht nicht so schnell; aber in Städten wie Bangkok, Singapur oder Jakarta wird das eher pas- sieren, weil derMeeresspiegel steigt. Dannwird dieMotivation, etwas dagegen zu unternehmen, noch größer. Und dann sagt man auch „Ja“ zumVier-Euro-Benzin. Das ist also eher ein Zeit- spiel. Wir müssen jetzt als Start-up so lange überleben, bis die Gesetzgebung und die Bevölkerung entsprechend bereit sind, solche Änderungen in Kauf zu nehmen. Dazu wird auch die zu- nehmende Anzahl der negativenWetterphänomene beitragen. Wo geht die Reise hin, habt ihr schon die nötigen Produk- tionskapazitäten? Wo steht ihr in fünf bis zehn Jahren? Wir wollen im nächsten Jahr die „Series-A-Runde“ beschlie- ßen, neues, frisches Kapital einwerben, um das Team zu ver- doppeln, vielleicht von 13 auf 20, vielleicht auch auf 26, und auch um unsere Produktionskapazitäten zu vergrößern. 2028 ist unser Ziel, dass unsere Carbon-Utilization-Tech- nologie marktreif ist. Spätestens dann wollen wir auch ein Pi- lotkraftwerk haben, vielleicht in der Größe eines Blockheiz- kraftwerks, das technologische Daten liefert und Vertrauen schafft, weil wir damit weltweit Industrien ansprechen wollen, die CO2-Emissionen haben: Müllverbrennungs-, Bioethanol-, Biogas-, Zementanlagen, Kunststoffproduktion und ähnliche. Die müssen in Zukunft tendenziell viel mehr, vielleicht sogar 100 Euro pro Tonne CO2 zahlen. Und wir sagen denen: Nehmt euer CO2 und macht daraus einen zusätzlichen Umsatz. Dafür gebt uns eine kleine Lizenzgebühr. Denn wir werden sicherlich nicht die zwei- bis dreistelli- gen Milliardenbeträge haben, um der ganzen Welt diese Kraft- werke, diesen ganzen Beton, diesen ganzen Stahl zu finanzie- ren.IndustrielleBiotechnologieistanlageninvestitionsintensiv, und darum ist das Lizenzmodell das Wichtige. Bis 2040, haben wir gesagt, möchten wir durch unsere Technologie die Produk- tion von vielen Millionen Tonnen Öl aus CO2 ermöglichen. Wie gesagt, nicht mit eigenen Anlagen, aber mit unserer Technolo- gie, die dann bei CO2-Emittenten funktioniert und wirkt. Kannst du mal einordnen, was das im Volumen für den Weltmarkt bedeuten würde? Das ist schon ein einstelliger Prozentteil des gesamten heuti- gen Erdölbedarfs. Wie hoch ist denn der Verbrauch? Aktuell liegt der Ver- brauch bei 4,5 Milliarden Tonnen Erdöl pro Jahr. Das ist schwer zu greifen in Badewannen oder gar Wasserflaschen. Ich habe das mal mit der Außen- alster ausgerechnet. Es ist 1300-mal das Volumen der Alster pro Jahr an Erdöl- verbrauch. Wenn man sich erst mal vorstellt, dass die- ser Wasserkörper unter einem in Erdöl umgerechnet jedes Jahr verbraucht und im schlimmsten Fall zu drei Vierteln verbrannt wird, dannweißman erst mal, was das für Dimensionen sind. Was würdest du dir mit Blick aufs Jahr 2040 vom Wirt- schaftsstandort Hamburg wünschen? Gibt es genügend Anreize für euch, hier zu expandieren? Wir werden Hamburg immer verbunden bleiben und nach un- seren jetzigen Visionen werden wir auch immer hier ein Team haben, sei es jetzt das steuerzahlende Headquarter oder ein ge- wisser Forschungsbereich. Tendenziell müssen wir aber global denken, genauso wie die Klimakrise eine globale Herausforde- rung ist. Und wir müssen dahin gehen, wo die größten CO2- Emittenten sitzen – unter anderem in Indien, China, Russland und den USA. Und diese Märkte müssen wir uns erschließen, also werden wir auch dahin expandieren. Was wir uns in Ham- burgwünschen, ist zumindest für die nächsten vier, fünf, sechs Jahre noch mehr Fläche, noch mehr Kapazität für Teams, neue Büros hier im Tempowerk. Und wir brauchen Starkstrom, am besten Grünstrom – und Wasserstoff, der dann hoffentlich aus Moorburg geliefert wird, sowie ein Wasserstoffnetzwerk; eben diese Pipelines, die auch hier in Hamburg ausgebaut werden. Ich glaube, sogar hier im Tempowerk ist ein Endpunkt. Wir fühlen uns hier also sehr zu Hause und werden hier auch noch weiter wachsen. Hinweis: Aus Platzgründen wurde der Wortlaut des Gesprächs stark gekürzt und zudem redaktionell bearbeitet. Dr. Malte Heyne (li.) im Gespräch mit Maximilian Webers 33 HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE PERSÖNLICH MAXIMILIAN WEBERS
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz