OKTOBER/NOVEMBER 2024
Ihr habt ja auch international ein paar Erfahrungen. Wo sind eure Wettbewerber? Gibt es Gegenden, in denen Gründungen bessere Bedingungen als hier vorfinden? Tatsächlich pflege ich natürlich eine Excel-Tabelle mit Mitstrei- tern, um eine Übersicht zu behalten. Es gibt kaum Start-ups oder Firmen, die eine ähnliche Technologie haben wie wir. Die Kombination aus genau diesem Bakterium, das wir nutzen, mit diesempatentierten Bioreaktor, den wir haben, ist weltweit ein- malig. Start-ups, die eine ähnliche Variante haben, aber mit an- deren Bakterien arbeiten, findet man zum Beispiel in den USA. Da gibt es zwei Start-ups, die ungefähr auf gleichem Level sind wie wir. Deren Vorteil liegt darin, dass die größere Fördermög- lichkeiten bekommen. Also in den USA ist der Risikoappetit der Investoren größer. Das heißt, man kann durchaus schon Millio- nenbeträgemit einer PowerPoint-Präsentation bekommen. Und hier hatten wir schon für unsere erste Finanzierungsrunde eine gründliche Due-Diligence-Prüfung durch die Investoren, unter anderem vom High-Tech Gründerfonds (HTGF), von der Stadt Hamburg durch die IFB und der Nidobirds Ventures GmbH, auch ein Hamburger Venture-Capital-Fonds. Und wie ist so die Resonanz der Hamburger-VC-Szene hier auf euch? Also wir haben vier Privatinvestoren bis jetzt drin, und davon sind zwei Hamburger, also ein guter Teil der Investoren. Letzten Sommer durftet ihr an einem vierwöchigen Acce- lerator-Programm des Plug and Play Tech Centers im Sili- con Valley teilnehmen. Was für Erfahrungen habt ihr dort gesammelt? Wie blickt man im Valley auf Hamburg? Das war ein großes Learning, ein tolles professionelles wie auch privates Abenteuer. In der Bay Area haben wir gelernt, dass Mut und richtiges Storytelling sehr, sehr wichtig sind. Ich kam da an mit einem Pitch, der auch übrigens hier in Deutsch- land funktioniert hat – mit diesem Pitch haben wir unsere Seed-Investitionen auch von Hamburger Investoren bekom- men. In den USA wurde er mir völlig zerrissen. Ich saß dort in diesemRaum– das war ein Einzelgesprächmit einer Coachin –, und schon nach einer Folie sagte sie doch wirklich „Stop! You know, it’s done“. Aber ich habe es sportlich genommen, weil das die Profis sind. Es geht umdie Narrative. Mir wurde gesagt: Kei- nen interessiert, was das für eine Bakterie ist oder ob das über- haupt eine Bakterie ist. Sag einfach nur, ihr braut Öl aus CO2: CO2 ist ein „bad carbon dioxide – you produce a good oil!“. Story ist sehr, sehr wichtig. Und auch, dass man groß denkt, sich nicht immer vom Realismus auffressen lässt. Denn um diese Klimaziele zu erreichen, muss man schon hyperüberzeugt sein, das wirklich zu schaffen. Auch die Klima- ziele 2040 sind sehr straff. Man muss mutig sein. Die amerika- nischen Investoren sind das: Sie investieren in eine Idee, noch bevor man irgendein Patent hat. Und das ist etwas, was man auch nach Europa, nach Deutschland, nach Hamburg transfor- mieren kann. Seid mutig, gründet! Jetzt, da ich in dieser sehr glücklichen Situation bin, denke ich manchmal: Warum grün- den nicht viel mehr Menschen? Denn anders als in den USA beispielsweise hat man hier ein soziales Auffangnetz. Wenn man es nicht schafft und es nicht skaliert, gut, dann kriegst du vielleicht mal Arbeitslosengeld, und danach bekommst du wie- der einen Job oder machst ein zweites Start-up. Aber es ist nicht schlimm, und dir passiert persönlich nichts. Aber es heißt ja, dass man in Deutschland beim Scheitern so einen Makel hat, während man in den USA sagt: „Fail faster, succeed sooner“. Habt ihr Sorge vor so etwas? Für uns jetzt bei Colipi sind das keine Sorgen. Wir fokussieren uns erst mal auf die Wissenschaft. Und wir haben auch keine Sorge, zu versagen. Wobei ich mich nach dieser Rekordförde- rung durch das BMWK und auch durch die Stadt Hamburg sehr den Steuerzahlern verpflichtet fühle. Es wäre für mich schon sehr, sehr traurig, wenn wir das nicht durch die Decke kriegen. Und wie gesagt, unsere Laborergebnisse sagen, es kann funk tionieren. Die Frage war vorhin noch, ob man in der Bay Area nach Hamburg guckt: Ich würde sagen, ja. Aber in der Bay Area In der Bay Area haben wir gelernt, dass Mut und richtiges Story- telling sehr wichtig sind. Es geht um Narrative. 32 HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE PERSÖNLICH MAXIMILIAN WEBERS
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