Oktober/November 2023

Corona-Rückforderungen nicht immer rechtmäßig Viele Unternehmen haben Aufforderungen erhalten, Corona-Soforthilfen zurückzuzahlen – manchmal jedoch zu Unrecht, wie aktuelle Urteile zeigen. M it den Corona-Soforthilfen legte die Bundes- regierung im Frühjahr 2020 ein umfangrei- ches Programm zur Unterstützung von Un- ternehmen und Selbstständigen auf, das im Verlauf der Corona-Pandemie mehrfach angepasst wurde. Inzwischen erhält die Kammer immer wieder Anfra- gen zu Rückforderungen und ihrer Rechtmäßigkeit. Dabei gilt grundsätzlich: Alle Bescheide sind indivi- duell zu betrachten, es kommt stets auf den Einzelfall an. Erste Gerichte haben jedoch einzelne Rückforde- rungsbescheide („Schlussbescheide“) aufgehoben. So hat das OVGMünster imMärz 2023 die Aufhe- bungmehrerer Bescheide durchdas VGDüsseldorf im Ergebnis bestätigt – insbesondere weil das Land Nord- rhein-Westfalen bei der Rückforderung „die binden- den Vorgaben des Bewilligungsbescheids nicht beach- tet“ habe, „wonach die Mittel ausschließlich dazu dienten, eine finanzielle Notlage abzumildern, insbe- sondere Finanzierungsengpässe zuüberbrücken“. Jeder Leistungsempfänger habe darauf vertrauen dürfen, dass er die Soforthilfe vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe nutzen durfte. Insofern bestand zumindest bis zum 1. April 2020 ein Vertrauensschutz, dass bewilligte Mittel auch zur Fi- nanzierung des Existenzminimums eingesetzt wer- den durften, so das OVG. Erst im weiteren Verlauf sei klargestellt worden, dass der Lebensunterhalt nicht durch Soforthilfen, sondern durch Grundsicherungs- leistungen nach SGB II abzusichern sind. Rechtswid- rig seien die Schlussbescheide auch deshalb, weil die vom Land geforderten Rückmeldeverfahren in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage hatten und ohne Rechtsgrundlage automatisiert erstellt wurden. Auch das Verwaltungsgericht Hamburg erklärte in seinemUrteil vom 28. April 2023 einen Rückforde- rungsbescheid für widerrechtlich. So stellte es unter anderem fest, dass beim Unternehmen, das die Hil- fen erhielt, entgegen dem Schlussbescheid sehr wohl ein Liquiditätsengpass bestanden habe. Dabei be- tonte das Gericht, dass es „nach Erlass des Bewilli- gungsbescheids auf die Auslegung nach dem objekti- ven Empfängerhorizont“ ankomme. Für das Unter- nehmen war zum Beispiel im Bewilligungsbescheid nicht erkennbar, dass „steuerrechtlich veranlasste Buchungspositionen als Einnahme zu berücksichti- gen sind“ und dass für die Berechnung der liquiden Mittel „allein Fixkosten zu berücksichtigen sind“. Rechtsanwalt Broede von Broede Krutzki & Part- ner kommentiert: „Das Urteil zeigt, dass man sich von der gerichtlichen Überprüfung von Rückforde- rungsbescheiden der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) nicht abhalten lassen sollte und man in der Regel darauf vertrauen darf, dass man die Gelder behalten darf, solange man diese nicht zweckwidrig verwendet hat. Auch die von der IFB stetig ins Feld geführte eigene Verwaltungspraxis vermag diesen Grundsatz nicht zu erschüttern, da es im Rahmen der Rückforderung der Soforthilfe we- gen Zweckverfehlung auf die Verwaltungspraxis der IFB nicht zwingend ankommt.“ Es lohnt sich also, Rückforderungen nicht ein- fach hinzunehmen und die Bescheide nicht rechts- kräftig werden zu lassen. RECHTS- HOTLINE Wenn Sie Fra- gen zum Thema haben, können Sie sich an die Rechts-Hotline der Handels- kammer wenden (montags, mitt- wochs und don- nerstags von 9 bis 12 Uhr): Tel. 36138-365. E-Mail recht@hk24.de JUDITH BECKER judith.becker@hk24.de HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE 12 SOFORT HILFEN FOTO: WOLFILSER/STOCK.ADOBE.COM

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