Oktober/November 2021

WWW.HK24.DE 27 PERSÖNLICH HANS FABIAN KRUSE heute nicht, wann das Schiff Hamburg erreicht, da- durch können wir für den Nachlauf nicht rechtzei- tig einen Stellplatz auf dem Zug oder Lkw buchen. Die Liefertermine sind das Hauptproblem. Welche Unternehmen trifft es am schlimmsten? Die Importeure von Konsumgütern und Aktions- ware, die Verträgemit großenHandelsketten schlie- ßen, müssen Vertragsstrafen zahlen, wenn sie nicht rechtzeitig liefern. Sie sind Präsident des AGA Norddeutschen Un- ternehmensverbands, der jedes Quartal einen Wirtschaftstest bei seinen Mitgliedern macht. Wie entwickelt sich der Export laut AGA-Indi- kator für den Groß- und Außenhandel? 2020 lag der Export im Durchschnitt bei 73, wobei 100 die gute Mitte ist. Im ersten Quartal dieses Jah- res lag er bei 121 und im zweiten Quartal bei 119. Das Exportgeschäft ist wieder gut angesprungen und läuft ordentlich. ImAugenblickwächst es wegen der angesprochenen Probleme nicht weiter. Wo liegt Hamburg imnorddeutschen Vergleich? Im AGA-Wirtschaftstest vom zweiten Quartal 2021 erreicht Hamburg mit 140,7 Punkten den höchsten Wert imNorden. Der Hamburger Hafen ist in Europa zurückge- fallen. Droht der Wirtschaftsstandort dadurch abgehängt zu werden? Die Anzahl der inHamburg angelandetenContainer steigt im Augenblick wieder an, aber das Volumen ist tendenziell zurückgefallen. Ein Grund ist die Einfuhrumsatzsteuer: In fast allen europäischen Ländern gilt das Verrechnungsmodell, während Deutschland eine Fristenlösung hat. Hier müssen Außenhandelsfirmen erst mal Geld auf den Tisch le- gen. Unternehmen, die es nicht haben, müssen sich bei der Bank finanzieren. Das belastet ihre Kredit­ linie und schwächt somit auch denHafenHamburg. WelchenWeg geht Ihr Unternehmen? Einen Teil meiner Container ziehe ich über Rotter- dam, wo ich einen Steuerbescheid bekomme – den buche ich, und der Fall ist erledigt. Außerdem ist unser Unternehmen relativ groß und hat deshalb einen Aufschubnehmerausweis. Wir müssen die Einfuhrumsatzsteuer erst nach 65 Tagen bezahlen und anstatt vom 10. bis zum 90. Tag nur vom 65. bis zum90. Tag finanzieren. KMU können das nicht. Davon gibt es in Hamburg wahnsinnig viele. Das Problem betrifft aber auch Luftfracht und Kurier- → DR. HANS FABIAN KRUSE Der promovierte Betriebsinformati- ker hat einen deutsch-französi- schen Abschluss der Universität Fribourg (Schweiz) und ist seit 1989 in dritter Generation geschäftsführen- der Gesellschafter bei Wiechers & Helm. Das Ham- burger Außenhan- delsunternehmen betreibt vor allem Import, Export und Transithandel auf Nischenmärkten in Lateinamerika und Afrika, unter anderemmit chemischen und pharmazeutischen Rohstoffen, Quarz, Maschinen und Heilkräutern. Der 61-Jährige enga- giert sich in zahlrei- chen Ehrenämtern. Seit 2008 ist er Präsident des AGA Norddeutschen Unternehmensver- bandes, dessen Präsidium er seit 1999 angehört. sendungen. Die werden zum Beispiel vom Flugha- fen Köln/Bonn unter Verschluss nach Belgien oder Holland gefahren, dort zolltechnisch abgewickelt und kommenwieder zurück. Am Hamburg Airport ist ein weiterer Standort- nachteil, dass es keine direkten Flugverbindun- gen zu wichtigen Handelspartnern wie China oder den USA gibt. Der Flughafen ist nie ein großer Frachtflughafen ge- wesen und kann es auch nicht werden. DieHambur- ger Außenhändler sind es gewohnt, mit ihrem Flug- hafen zu arbeiten, das hat nicht nur Nachteile. Am Passagierflughafen fliegen wir in unserer Firma zu 50 überseeischen Destinationen. Wir haben in Hamburg die Wahl, an verschiedenen Drehkreuzen umzusteigen. Dadurch bekommen wir Flexibilität. Wenn ich nach Buenos Aires fliegen will und mit Lufthansa über Frankfurt buche, dann zahle ich als Deutscher einen Preis, der 20 Prozent teurer ist als ein Ticket bei Air France, KLModer British Airways. Hamburgs wichtigster Handelspartner war 2020 Frankreich. Ist die EU die große Trumpf- karte für den Hamburger Außenhandel? Genauso ist es. 60 Prozent unseres Geschäftes machen wir innerhalb der EU. Das beherrschen wir, und das läuft auch sehr gut. Wenn Sie mich nach Wachstumsmärkten und attraktiven Regio- nen fragen, dann würde ich sofort Polen, Tsche- chien, Slowakei und Ungarn nennen. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat unser Geschäft auch in Hamburg mit diesen vier Staaten

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