Oktober 2018

HAMBURGER WIRTSCHAFT 10 / 18  IM FOKUS 60 ARBEITSWELTEN ILLUSTRATION: MARCUS LANGER, FOTO: ANDRÉ WALTHER „Wissen schlägt Hierarchie“ In wenigen Jahren eignete sich die Health AG, eine Ausgründung des Otto Konzerns, eine moderne und schlanke Hierarchie und Führungsstruktur an. Wie hat das geklappt? Die HW sprach mit Chef und Mitarbeiter. J an Schellenberger ist CTO und Phi- lip Salge Innovationsmanager der Health AG. Sie berichten aus zwei- erlei Perspektive von den Erfahrungen und Herausforderungen, vor denen das Team stand. HW: Wie kommt man auf die Idee, Füh- rung ganz anders als in einem großen Konzern mit sehr hierarchischen Struk- turen zu gestalten? Jan Schellenberger: Wir wollten uns schnell verändern, also mussten wir auch Führung neu denken. In einer komple- xen und schnelllebigen Welt ist Hierar- chie, bei der ein Mitarbeiter auf seine Führungskraft warten muss, nicht mehr sinnvoll. Netzwerk schlägt Hierarchie und Wissen schlägt Hierarchie. Es gab eine Zeit, da habe ich diese Entscheidungsmaschinen, Projektleiter und Übervorgesetzten bewundert. Sie wussten scheinbar immer, welche Aus- wirkung neue Produkte auf die Prozesse haben, wie Kunden auf neue Tools re- agieren werden, welche Werbemittel man dafür benötigt und mit welcher IT das al- les perfekt läuft. Das glaube ich längst nicht mehr. Wer heute noch von sich be- hauptet, er würde das ganze Unterneh- men verstehen, hat zu lange im Elfen- beinturm gesessen. Wie würden Sie Ihren Führungsstil be- schreiben? Schellenberger: Ich bin Wegbegleiter der Mitarbeiter. Wir gehen einen gemein- samen Weg, und ich habe das Glück, diese Menschen dabei coachen zu dür- fen. Wir lernen voneinander und reden auf Augenhöhe. Wer das verinnerlicht, ist beim Thema agile Führung goldrichtig. Herr Salge, wie haben Sie als Mitarbeiter den Prozess erlebt? Philip Salge: Ich wurde vor meiner Einstellung darauf vorbereitet, was hier passieren wird. Der Change-Prozess kam für mich also nicht überraschend. Wir wechseln die Achsen einer Kutsche im vollen Galopp. Dafür bedarf es viel Kraft, Koordination, Geschwindigkeit und auch der richtigen Leute, die die Kutsche lenken. Wie war die Reaktion Ihrer Kollegen? Salge: Wir alle wurden dazu eingela- den, die Veränderung aktiv mitzugestal- ten. Und wer mitgestaltet, findet das Ge- schaffene in der Regel auch gut. Oder macht es besser. Bei mir wird viel Freude an der Arbeit, Geschwindigkeit und Moti- vation freigesetzt. Bei anderen sind es möglicherweise eher Sorgen und Ängste oder im Extremfall Ablehnung. Mit bei- demmuss man umgehen. JAN SCHELLENBERGER CTO Health AG „Hierarchie, bei der ein Mitarbeiter auf seine Führungskraft warten muss, ist nicht mehr sinnvoll.“

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