AUGUST/SEPTEMBER 2025

Politik sagt, was sie machen soll. Was ich mir aber schon wünsche, ist ein besserer Austausch auf Au- genhöhe, der meinem Gefühl nach in den letzten 15 Jahren ein bisschen verloren ging. Dabei ist er ein Schlüssel zum Erfolg, der Staat kann ja nicht alles leisten und die Wirtschaft kann wichtige Erfahrun- gen und Impulse aus der Praxis einbringen. Mir ist nur wichtig, dass Stiftungsaktivitäten und -projekte nie an wirtschaftliche Interessen geknüpft werden. Ihre Familie war lange vor allem imVersandhan- del engagiert. Wie kann die Otto Group heute gegen internationale Player bestehen? Es ist eine Herausforderung, klar. Es gibt eben sehr viel Kanäle, durch die Digitalisierung größere Preis- transparenz und ständig neue Wettbewerber. Das Motto meines Vaters lautete „panta rhei“, Griechisch für „alles fließt“. Ihm war Veränderung wichtig, also anpassungsfähig zu bleiben. Ich bin in diesem Jahr seit 25 Jahren Vorsitzender der ECE-Geschäftsfüh- rung und habe zusehends das Gefühl, dass es heute weitaus schwieriger als früher ist, Erfolge zu kalkulie- ren und geschäftliche Entscheidungen mit langfristi- ger Sicherheit zu treffen. Der schnelleWandel und die globalen Unwägbarkeiten haben das nicht einfacher gemacht. In diesem Umfeld ist es heute noch wichti- ger, als Unternehmen flexibel und anpassungsfähig zu sein und sich immer wieder zu verändern. Verspricht das Hybridmodell – stationärer Handel mit Online-Marktplatz – nicht ammeisten Erfolg? Das ist zumindest Expertenkonsens. Aber in der Praxis kenne ich kaum Firmen, die wirklich profita- bel beides betreiben. Ein Beispiel, wo es sehr gut funktioniert, ist Thalia, aber das Buch ist auch eine Ausnahme im Distanzhandel, weil die Rücksende- quote niedrig und die Wiederverwertungsquote hoch ist. Andere Segmente haben teilweise Retou- ren weit über 50 Prozent. Wie sehen Sie das Prinzip Shopping Mall? Hat es gegenüber dem E-Commerce eine Zukunft? Ich bin fest davon überzeugt, dass Shopping-Center eine gute Zukunft haben. In den letzten herausfor- dernden Jahren hat sich ja gezeigt, wie stabil und resi- lient sie sind. Wichtig ist aber auch hier, dass sich die Center flexibel – und immer schneller – an Verände- rungen der Handelsbranche und Kundenwünsche an- passen und kontinuierlich weiterentwickeln. Diese Anpassungsfähigkeit ist ihre Stärke als Immobilie und Herausforderung für uns als Betreiber zugleich. Dabei steht auch ein zunehmend vielfältiger Nutzungsmix im Mittelpunkt, also mehr Dienstleistungen, Gastro- nomie, Erlebnis, Entertainment – alles, was der On- line-Wettbewerb nicht bieten kann. Welche Voraussetzungen bietet Hamburg heute für diese Art Konsummarktplatz? Gute Voraussetzungen! Wir haben in Hamburg sehr starke Stadtteile, in denen sich viele Einkaufszentren über Jahrzehnte hinweg als gut funktionierende Orts- zentren etabliert haben und eine wichtige Versor- gungsfunktion übernehmen. Darüber hinaus gibt es auch touristisch interessante Destinationen wie die Europa Passage. Ein Aspekt für ihren Erfolg ist auch das typische Hamburger Schmuddelwetter. Ein guter Standortfaktor fürdieüberdachtenShopping-Center! Was sind diesbezüglich dann die nächsten Ent- wicklungsschritte von ECE? Wir haben die ECE in den letzten Jahren zu einer breit aufgestellten Immobiliengruppe weiterentwi- ckelt und neben den Aktivitäten im Shopping-Cen- ter-Bereich eine eigenständige Gesellschaft aufge- baut, die Wohnungen, Hotels und Logistikzentren in Europa entwickelt und in sie investiert. Sie reali- siert Projekte wie Hotels und Wohnungen in Rom und Kopenhagen oder Logistikzentren in Deutsch- land und Polen. Und in Hamburg? Hier bauen wir gerade mit dem TIDE ein neuesQuartier inderHafenCitymit hoch- wertigen Wohnungen amWasser, zu dem auch ein Studierendenwohnheimund das Digital Art Museum als touristischer An- ziehungspunkt gehören. Im Shopping- Center-Bereich konzentrieren wir uns darauf, in die bestehenden Center zu in- vestieren und diese zu modernisieren und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wenn Sie die perfekte, also lebendigste Stadt kreieren würden: Wie sähe die aus? In demMoment, wo ich behaupte, sie kreieren zu kön- nen, ist man eigentlich schon daran gescheitert. Le- bendige Städte müssen organisch, also sukzessive wachsen. Und da sind jene am spannendsten, die Bau- stile verschiedener Jahrhunderte kombinieren und sich drum herum entwickeln. Das zu fördern, wäre mir wichtig. Dazu gehört auch, viele Grünflächen und öffentliche Plätze zu schaffen, die für hohe Lebens- qualität unerlässlich sind. Eine meiner Lieblings- städte ist diesbezüglich Rom. Wie lebenswert ist Hamburg auf einer Skala von 1 bis 10? Wir rangieren da sehr weit oben. Schon aus Sympa- thie für dieses Magazin würde ich ihr eine hohe Be- wertung geben, aber auch aus voller Überzeugung sage ich: Hamburg kriegt eine 10. Alexander Otto im Gespräch mit HW- Autor Jan Freitag (li.) 31 PERSÖNLICH: ALEXANDER OTTO WWW.HK24.DE

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