August/September 2024

Start-ups sagen, dass sie nicht wissen, ob sie in Hamburg noch mal gründenwürden. Aber ist das ein Hamburger Spezifikum im Vergleich zu Köln oder Berlin? Oder ist das ein deutsches Thema? Hamburg steht leider schlechter da als andere deutsche und eu- ropäische Metropolen. Aber daran kann man als Stadt strate- gisch arbeiten, indem wir zum Beispiel gezielt in den Ausbau technischer Studiengänge investieren. Denn, wie gesagt, ichhöre auch von vielen Tech-Gründern hier: Wir finden die Leute nicht. Viele Start-ups sagen: In Hamburg besteht ein attraktiver Markt, weil es ein starkes wirtschaftliches Umfeld ist – so nach dem Motto: „Wenn du ein Start-up gründen willst, geh nach Berlin. Aber wenn du damit Geld verdienen willst, dann geh nach Hamburg.“ Würdest du das unter- schreiben? Natürlich ist ein Unternehmen, das auf eine starke Wirtschaft um sich herum angewiesen ist, in Hamburg immer gut aufgeho- ben. Hier gibt es auch viele private Unterstützer, dieman begeis- tern kann; gerade wenn man imHandel oder in der Logistik un- terwegs ist. Viele Gründungen erfolgen aber heute im MINT Bereich – und da braucht es auch mehr forschungsintensivere Unternehmen als die, die wir hier in Hamburg derzeit haben, und eben mehr technische Absolventen, die dann auch tech- nisch in Hamburg gründen oder in den neuen Unternehmen ar- beiten. Ob dann Berlin der richtige Standort ist, weiß ich auch nicht – vermutlich eher München. Aber eben nicht Hamburg. Habt ihr denn auch Angebote für Personen, die hierher geflohen sind oder Migrationshintergrund haben und die am Arbeitsmarkt noch nicht so gut anschlussfähig sind? Wir haben unsere Programme von Anfang an in deutscher und englischer Sprache angeboten. Undwirwürden sehr gernemehr Menschen mit Migrationshintergrund ausbilden. Aber man muss schon gucken:Wer schafft es, das Programminkurzer Zeit zu bewältigen und dann anschlussfähig zu sein? Die Anschluss­ fähigkeit hängt schließlich auch von denUnternehmen ab. Kann man erst mal nur mit englischer Sprache einsteigen? Wie gut muss man in deutscher Sprache sein? Deutsch zu erlernen ist sehr schwer und braucht Zeit. Deswegen muss man schauen: Wie sieht ein vernünftiges Integrationsprogramm aus? Gerade tarifgebundenen Unternehmen fällt es schwer, un- sere Absolventinnen (deutsche wie ausländische) in ihre Struk- tur einzugliedern, wenn sie keinen anerkannten Abschluss ha- ben. Manche Absolventen entscheiden sich dann für ein nicht tarifgebundenes Unternehmen, weil sie dort ein besseres Gehalt bekommen. Grundsätzlich werden sie trotz der sehr kurzen Ausbildungsdauer ähnlich gut bezahlt wie Absolventen, die di- rekt von der Uni kommen. Ich unterstütze Tarifverträge persönlich sehr. Aber teil- weise gehen sie an der Realität ein bisschen vorbei. Es ist einfach nicht flexibel genug. Aber das können wir mit neuefische allein nicht lösen. Wir können uns gerne an einer Diskussion dazu beteiligen oder mit der Handelskammer et- was auf die Beine stellen in Richtung Anerkennung. Das können wir sehr gerne tun! Das betrifft übrigens auch die inländischen Abschlüsse: Wie stuft man jemanden ein, der einen Abschluss in BWL mit- bringt, aber dann mit dem bei uns erworbenen Wissen in der Informatik einsteigen soll? Selbst das fällt schwer. Dieser Podcast heißt ja auch „Hamburg 2040“. Daher zum Abschluss die Frage: Wohin entwickelt sich aus dei- ner Sicht dieses ganze Fachkräfte- und Weiterbildungs- thema? Und was muss die Politik tun? Hamburg hat alle Chancen.Wir solltenweiter inBildung investie- ren, insbesondere in den Ausbau von technischen Studiengängen und in die Internationalisierung der Bildung, um für junge Leute in In- und Ausland attraktiver zu sein – auch hier hinkt Hamburg imeuropäischen Vergleich hinterher. Wirmüssen das Thema Le- benslanges Lernen so leben, dass es im Alltag ankommen kann. Das heißt, gezielt mit allen Akteuren aus Politik, der Wirtschaft und dem Bildungsmarkt zusammenzuarbeiten. Die zentralen Fragen sind: Was will die Wirtschaft? Was kann welche Bildung dazubeitragen, dass es klappt?Undwie kanndasGanze von staat- licher Seite so unterstützt werden, dass die Last nicht nur beim Individuum oder nur bei der Wirtschaft liegt? Die Agentur für Arbeit kann und sollte hier ein strategischer Partner sein. Dann gilt es eine echte Innovations-Infrastruktur aufzu- bauen. Wir sind ja eine Handels- und Hafenstadt. Und der Hafen ist ja auch im Bereich Logistik und Smart Logistics als Dienst- leistung super zukunftsträchtig. Und wenn man in Hamburg neue innovative Cluster besetzt und vielleicht auch noch ein Al- leinstellungsmerkmal auf- bauen kann, dann werden wir auch attraktiver für Ta- lente und Menschen sein, die hier sind und herkom- men wollen. Klar geht es auch um Dinge, die uns als Stadt ausmachen: in Ham- burg lebenswert zu sein, Wohnraum zu haben für die Internationalen, die zu uns kommen, den Nahver- kehr weiter auszubauen. Und jedes Hamburger Un- ternehmen sollte sich überlegen: Schlummern bei mir vielleicht noch Menschen, von denen ich nicht so genau weiß, wie sie auf „morgen“ passen? Und wie kann ich die vielleicht dahin brin- gen? Wir haben die Kompetenz, mit diesem Potenzial zu arbei- ten undmüssen es einfach nur tun. Ja, wunderbar! Vielen Dank für das tolle und anregende Gespräch. Dalia Das traf sich in der Bahrenfelder Zentrale von neuefische mit Dr. Malte Heyne zur Podcast-Aufzeichnung. Hinweis: Aus Platzgründen wurde der Wortlaut des Gesprächs stark gekürzt und zudem redaktionell bearbeitet. 27 PERSÖNLICH DALIA DAS HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE

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