August/September 2022

Im Zeichen der Energiekrise Die unsichere und unkalkulierbare Lage am globalen Energiemarkt bereitet auch hiesigen Unterneh- men große Sorgen. Ein Hamburger CEO bezieht Stellung. An der jüngsten Quartalserhebung zum Konjunktur- barometer der Handelskammer nahmen 600 Un- ternehmen teil. Gut ein Drittel von ihnen (35,6 Pro- zent) beurteilte die eigene Lage als „gut“, 47,5 Prozent als „saisonüblich bzw. befriedigend“, 16,9 Prozent als „schlecht“. Beson- ders positiv be- werteten Woh- nungswesen und Baugewerbe das aktuelle Geschäft, die negativsten Einschätzungen gab der Einzelhan- del ab. Alle Zahlen finden Sie unter www.hk24.de/kon- junktur Interessierte Un- ternehmen können sich melden, um zukünftig am Kon- junkturbarometer teilzunehmen. Den Button finden Sie unter www.hk24. de/mitmachen Gleichwohl stehe Hamburgs Wirtschaft bereit, „schon jetzt – drei Monate vor Beginn der Heizperi- ode – ihren vertretbaren Anteil an den notwendigen Strom- und Gaseinsparungen zu leisten“. Eine mögli- che Abschaltreihenfolge, so Siebrand, müsse jedoch „berücksichtigen, dass wir unseren Wohlstand ge- fährden, wenn wir unwiederbringlich unsere tragen- den Wirtschaftsstrukturen gefährden, zum Beispiel improduzierenden Sektor“. Folgen der Gaskrise im Stahlsektor Wie schwierig sich die Situation für ein unmittelbar betroffenes Unternehmen mit hohem Gaskonsum gestaltet, zeigt das Beispiel des Stahlkonzerns Arce- lorMittal. „Eine weitere Reduzierung von Erdgas hätte direkte Auswirkungen auf die Produktion und damit auf die Beschäftigung“, erklärt Dr. Uwe Braun, CEO am Standort Hamburg. Das hiesige Werk des Konzerns, der mit rund 60 Werken in weltweit mehr als zwei Dutzend Staaten 2021 über 76 Milliarden Dollar umgesetzt hat, braucht Erdgas, umEisenerz in Eisenschwamm umzusetzen – das Vorprodukt für Stahl. Bereits jetzt kaufe man aufgrund der hohen Preise Erdgas aus Amerika zu. „Eine Alternative wäre Wasserstoff, der aber noch nicht in ausreichender Menge verfügbar ist. Auch bei den Wiedererwärmungsöfen gibt es keine schnelle Alternative. Die technische Umstellung auf Induktion mit Strom würde lange dauern und wäre sehr teuer, daher nicht sofort möglich“, sagt Braun. Man versuche bereits, kostenbewusst neu zu kalkulieren, sagt der ArcelorMittal-Chef: „Einen geringen Teil der Preissteigerungen können wir durch Hedging-Strategien abfangen“ – also Finanz- instrumente zur Absicherung von Risiken. „Mittel- fristig planen wir Partnerschaften wie zum Beispiel mit RWE, um gemeinsam Offshore-Windflächen zu erschließen und durch langfristige Lieferverträge kurzfristige Preissteigerungen abzu- fangen.“ Obwohl das Hamburger Werk durch moderne Technologien schon „deutlich emissionsärmer als andere Standorte“ arbeiten könne, ist für Braun klar: „Die Transformation zur grünen Stahlpro- duktion ist mittel- und langfristig die größte Herausforderung.“ Bis dieses Ziel erreicht ist, bleibt die Krise im Energie- sektor eine der aktuell größten Gefahren für die Wirtschaft – und das gilt bei Weitem nicht nur in der Stahlbranche. A m 21. Juli verkündete Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, die vorläufige Wieder- aufnahme eines Teils der russischen Gaslie- ferungen durch die Pipeline Nordstream 1, „pünkt- lich“ nach Ende der zehntägigen War- tungsarbeiten. Doch das leichte Aufat- men währte nur kurz – und EU-Kommis- sionspräsidentin Ursula von der Leyen hat für August 2022 bisMärz 2023 bereits eine allgemeine Erdgas-Einsparung von 15 Prozent angemahnt. Im aktuellen Konjunkturbarometer (siehe Randspalte) sehen denn auch 69 Prozent der beteiligten Hamburger Fir- men die Energie- und Rohstoffpreise als größtes Geschäftsrisiko der nahen Zu- kunft – und das allgemeine Geschäfts- klima hat sich auf 89,3 Punkte weiter ver- schlechtert (25,5 Punkte weniger als im vierten Quar- tal 2021). „Hamburgs Unternehmen befinden sich in einer ernsten Situation, die Energieversorgung ist von erheblichen Unsicherheiten geprägt“, sagt Jan-Oliver Siebrand, Bereichsleiter Nachhaltigkeit und Mobilität bei derHandelskammerHamburg. JOCHEN HARBERG redaktion@hamburger-wirtschaft.de Um Eisenerz in das Vorprodukt für Stahl umzuwandeln, sind bei ArcelorMittal große Erdgasmengen erforderlich. Dr. Uwe Braun, CEO des ArcelorMittal-Standorts Hamburg, plant Partnerschaften. HAMBURGER WIRTSCHAFT 20 FOTOS: DPA/REUTERS/FABIAN BIMMER, DAVID MAUPILÉ/ARCELORMITTAL GAS KRISE

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