AUGUST/SEPTEMBER 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 60 AUFTRAGS VERGABE FOTO: STEFAN BUNGERT Die Hamburger Finanzbehörde will kleinen Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen deutlich erleichtern. Ein erster Austausch zum geplanten neuen Bieterportal findet online am 12. August statt. A ufträge der öffentlichenHand sind so vielfäl- tig wie das Wirtschaftsleben an sich: Da soll ein Schulgebäude saniert werden, ein Ge- fängnis braucht – tatsächlich! – neue Gardinen oder das Catering-Angebot der Stadt ein passendes Logo. Oft schrecken jedoch gerade kleine Unternehmen davor zurück, sich an der dazugehörigen Ausschrei- bung zu beteiligen: Zu kompliziert und bürokratisch erscheint die Prozedur. Und ist man als Kleinbetrieb nicht ohnehin chancenlos?Werden da nicht jene be- vorzugt, die das schon immer gemacht haben? „Nein“, sagt die Finanzbehörde Hamburg als größter öffentlicher Auftraggeber der Stadt –und ruft alle Unternehmen auf, sich am Austausch über ein neues Bieterportal zu beteiligen. Ziel ist es, Hür- den abzubauen und auch jene zu motivieren, denen die Schwelle beim Bieten um öffentliche Aufträge bisher zu hoch erschien. Wie schwierig eine Bewerbung derzeit noch ist, zeigt etwa die HEWägetechnikHorst EßmannGmbH – ein mittelständischer Hersteller von Industriewaa- gen, der regelmäßig nach öffentlichen Aufträgen sucht. 20 bis 30 Seiten Formulare, so Geschäftsfüh- rer Dr. Gregor Graßl, müsse seine Firma derzeit pro Bewerbung ausfüllen – und kürzlich hat er sage und schreibe 15 Plattformen durchforstet. Für Neubewer- ber würden zudem oft zu hohe Hürden im Bereich „Referenzen“ aufgebaut. „Da heißt es dann oft: Haben Sie in den letzten drei Jahren übereinstimmende Dienstleistungen erbracht? Es gibt aber nur ‚ja‘ oder ‚nein‘ als Antwort. Sind die Referenzen älter als drei Jahre oder nicht in der geforderten Anzahl vorhan- den, reduzieren sich die Chancen auf einMinimum.“ Wird das geplante neue Bieterportal die Lage verbessern? Jedenfalls sollen die Angebote kunden- gerechter und niedrigschwelliger ausfallen und auch eine gewisse Fehlerkultur zulassen, so ein ex- plizites Ziel. Das heißt auch, unterschiedliche Leis- tungen verschieden auszuschreiben und zu bewer- ten. Auf dem Prüfstand könnte neben der Frage der Referenzen etwa auch die der Gewährleistungsfor- men stehen: So dürfte es zum Beispiel einer PR- Agentur imGegensatz zu einem Fliesenlegerbetrieb schwerfallen, die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen vertraglich zu garantieren. Eine der Ursachen, weshalb die Verfahren bisher so hürdenreich waren, könnte das Spannungsfeld von Politik, Verwaltung und Wirtschaft sein. Politik lebt von Ideen, Betriebe müssen mit Aufwand und Nutzen rechnen, und die Verwaltung will vor allem Fehler vermeiden. Bürokratie entsteht oft auch, weil die Ideen der Politik auf Verwaltungsebene –mit bes- ten Absichten – in Regelungen übersetzt werden, die sich bisweilen verselbstständigen. Dass eine Behörde ihre Auftragsverfahren entschlacken und deutlich kundenfreundlicher gestalten möchte, klingt wie eine kleine Revolution – mit gewaltigen Chancen für Hamburgs Unternehmerinnen und Unternehmer. Am Donnerstag, 12. August, können diese ihre Ideen imDialogmit der Stadt einbringen (siehe Rand- spalte). Und Gregor Graßl hätte schon einige: „Eine intelligente Suchfunktion, die beim Eingeben von Be- griffen wie ,Waage‘ nicht alle Ausschreibungen mit ,waagerecht‘ auflistet, wäre ein großer Fortschritt. Am besten wäre eine ‚Alert‘-Funktion, die nur bei passenden neuenAusschreibungen anschlägt.“ Die Finanzbehörde lädt zur Online­ veranstaltung „Ge- meinsam gestalten – Modernisierung des Hamburger Vergabeverfah­ rens“ ein: Donners­ tag, 12. August, 17 bis 18 Uhr. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Britta Heegardt, britta.heegardt@ hk24.de, 36138- 265 oder Gundula Weegh, gundula. weegh@hk24.de, 36138-425. Daneben sind zeitnahe Einzelin­ terviews geplant, in denen Betriebe und potenzielle Bietende ihren Bedarf, ihre Erfah­ rungen oder Ver­ besserungsvor­ schläge für ein künftiges Bieter­ portal einbringen können. Die Stadt Hamburg freut sich auf spannen- de Gespräche. ERIC LEIMANN redaktion@hamburger-wirtschaft.de Dr. Gregor Graßl (li.), Geschäftsführer der HEWägetechnik Horst Eßmann GmbH Öffentliche Aufträge – leicht gemacht?

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