August / September 2020
HAMBURGER WIRTSCHAFT 52 DIGITALER FORTSCHRITT FOTO: SYMPATIENT GMBH Das Mittelstand 4.0-Kompetenz- zentrumHamburg plant gemeinsam mit Handelskam- mer und Artificial Intelligence Cen- ter Hamburg e.V. einen jährlichen digitalen „KI Summit“ zu Künstlicher Intelli- genz, der erstmals am 20. Oktober stattfindet. Die Veranstaltung soll mittelständische Unternehmen in der Metropol region an Themen wie Bilderken- nung, voraus- schauende War- tung durch Chatbots (text basierte Dialog- systeme, die das Chatten mit einem techni- schen System erlauben) und adaptives Auf- tragsmanagement (ein agiles System, das autonom auf Änderungen von zum Beispiel Auftragsdaten reagieren kann) heranführen. Weitere Informa- tionen bei Rudolf Neumüller (Tele- fon 36138-263, E-Mail rudolf. neumueller@ hk24.de). Digitales Distancing Social Distancing ließ die Akzeptanz von Tech-Lösungen steigen. Hamburger Entwickler gehören zu den Gewinnern. E rst ein Video der Vorder- und Rückseite des Personalausweises mit dem Smartphone, dann ein Selfie. Dieses Prozedere kennen Soloselbstständige und Freiberufler ebenso wie kleine und mittlere Unternehmen, die bei der Ham- burgischen Investitions- und Förderbank (IFB) die „Hamburger Corona Soforthilfe“ (HCS) digital bean- tragt haben. Nach einemBetrugsversuch verstärkte die IFB die Sicherheitsvorkehrungen und bewilligte die HCS nur noch, nachdem Antragsteller sich mit der automatisierten Video-Ident-App der Nect GmbH legitimiert hatten. Das Hamburger Tech-Unternehmen zählt zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. „Unsere Zahlen haben sich innerhalb kurzer Zeit vervier- facht“, sagt Carlo Ulbrich. Kunden- und Registrie- rungszahlen sowie Umsatz entwickeln sich dem Geschäftsführer und Mitgründer von Nect zufolge außerordentlich positiv. Konkrete Zahlen nennt er beim Personal: „Von Anfang März bis Ende Juli hatten wir 30 Neueinstellungen.“ Corona hat die Mitarbeiterzahl bei Nect auf 52 mehr als verdop- pelt. Denn in Zeiten von Social Distancing ist die Akzeptanz für digitale Lösungen enorm gestiegen. Nect schützt Kundenportale und Apps von Ver sicherungen, Krankenkassen, Finanzdienstleistern oder Telekommunikationsanbietern vor Betrug. Anders als beim klassischen Post-Ident-Verfahren in einer Filiale der Deutschen Post funktioniert die App „Nect Ident“ rund um die Uhr und ohne Warte- zeiten. Dieser Aspekt ist auch entscheidend für deutschlandweit mehrere Millionen Menschen mit einer Angststörung, die die „Invirto“-App nutzen. Aufgrund von Corona nehmen solche Beschwerden womöglich zu, auf eine Therapie müssen Betroffene aber oft lange warten. Die Sympatient GmbHmit 14 Mitarbeitern in Ottensen startete die App am Jah- resanfang zunächst in Hamburg und Schleswig- Holstein. „Nach einemErstgespräch können Patien- ten ihre Angst in einer leitliniengerechten digitalen Therapie unabhängig von den Bürozeiten des Therapeuten imeigenen Tempo behandeln“, erklärt Christian Angern, einer von drei Mitgründern und Geschäftsführern des Unternehmens. Dafür wird eine Virtual-Reality-Brille benötigt, die Sympatient bereitstellen kann. Das Start-up profitiert vomDigi- talisierungsschub durch Corona. „Wir verzeichnen gestiegene Nutzerzahlen“, so Angern. „Seit April bieten wir unsere App bundesweit an.“ Entwickelt haben „Invirto“ erfahrene Ärzte und Therapeuten. Auch die aidminutes GmbH mit 15 Beschäftig- ten arbeitet eng mit Universitätsmedizinern und dem Malteser Hilfsdienst zusammen. Das 2017 gegründete Start-up hat seine App „aidminutes.rescue (Covid-19)“ in Corona-Zeiten kostenlos für Rettungsdienstpersonal bereitgestellt. „Innerhalb weniger Wochen wurde die App mehr als 8000 Mal heruntergeladen“, berichtet Anke Fritz, Digital Health Advisor bei aidminutes. In 18 Sprachen sind mehr als 250 situations- und symptombezogene Fragen und Informationen per Sprachausgabe und Text abrufbar. Das gibt nicht nur Sicherheit bei Covid-19-Verdacht, sondern kann auch in anderen FällenMenschenleben retten. Allerdings sprang ein Investor, der selbst Umsatzeinbußen hatte, ab. Doch Anke Fritz blickt nach vorn: „Wir möchten, dass die Hamburger künftig ihre Beschwerden mit unserer Anamnese- App zu Hause selbst digital erfassen.“ Ziel sei, Arzt- besuche qualitativ vorzubereiten, um die Diagnose- findung zu verbessern. Carlo Ulbrich indes erwar- tet, dass sich bei Nect die Zahlen bis Jahresende „noch einmal verdoppeln“. KERSTIN KLOSS redaktion@hamburger-wirtschaft.de
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