August 2019
WWW.HK24.DE 63 MENSCH LICH FOTO: LIDIJA DELOVSKA; AUFGEZEICHNET VON BIRGIT REUTHER Meine größte Heraus- forderung Ihren Musikclub schloss Terry Krug mit einem fünfstelligen Minus. Doch die Lehren aus dieser Krise kommen ihr heute als Unternehmensberaterin und Gastronomin zugute. M it der Tanzhalle St. Pauli habe ich im Jahr 2000 einen Musikclub an der Silbersack- straße eröffnet – gemeinsammit demFoto- grafen Tom Kamlah. Ich arbeitete damals als Pro- jektmanagerin in der Werbung. Beide waren wir Anfänger im Live-Metier, besaßen jedoch die große Motivation, Menschen und Musik zusammenzu- bringen. Also nahmen wir einen Kredit von 80 000 D-Mark auf und investierten zudem circa 20 000 D- Mark privat in den Laden. Auf künstlerischer und emotionaler Ebene ging unsere Vision voll auf. Zahlreiche Bands, die später große Erfolge feierten, haben in der Tanzhalle ge- spielt: The National, Deichkind, Wir sind Helden, Revolverheld. 180 Personen fasste der Saal. Es gab aber auch schöne Konzerte, bei denen nur vier Men- schen vor der Bühne standen. Unabhängig von gut besuchten oder leeren Abenden erinnere ich mich am liebsten an die familiäre Atmosphäre bei uns. Finanziell waren wir der fälschlichen Idee auf- gesessen, mit einem Musikclub viel Geld verdienen zu können. Wir waren naiv, aber auch verantwor- tungsbewusst. So haben wir versucht, über die Ein- trittspreise und vor allem die Gastronomie zumin- dest kostendeckend zu arbeiten, um unser Team bezahlen zu können. Als die Miete um 100 Prozent steigen sollte, entschieden wir uns, die Tanzhalle zu schließen. Am 1. Juli 2006 hatten wir die letzte Rate für unseren Kredit abbezahlt, einen Tag vorher schlossen wir final die Türen zu. Zurück blieben 30 000 Euro private Schulden und ein (amEnde ver- lorener) Gerichtsprozess um den Abstand für die Einbauten, die wir imClub getätigt hatten. Ich hatte gerade meine zweite Tochter zur Welt gebracht. In der Krise den Kopf in den Sand zu ste- cken, war keine Option. Das Minus konnten wir mit einemzweitägigen Festival imehemaligen Karstadt- Gebäude in Altona ausgleichen, wo befreundete Bands und DJs zu geringer Gage auftraten. Das hat mir gezeigt: Ein gutes Netzwerk ist unbezahlbar und will gepflegt werden. Zudem habe ich gelernt, mich in entscheidenden Situationen immer von Experten beraten zu lassen. Die Erfahrungenmit der Tanzhalle kommenmir heute imBeruf immens zugute. Ich arbeite als Unter nehmensberaterin im Bereich Erlebniskultur, be- treibemit demKrug auf St. Pauli seit zehn Jahren ein Restaurant und setzemichbei der InitiativeMusik so wiederClubstiftungHamburgdafürein, dassMusiker undClubbetreiberFörderung erhalten. Ich liebenach wie vor das Experiment, reflektiere mein unterneh- merisches Handeln aber noch stärker als früher. Die Handelskam- mer steht kleinen und mittleren Mitgliedsunter- nehmen, die in der Krise sind, schnell und unbürokra- tisch mit Bera- tung, Vermittlung und speziellen Förderprogram- men zur Seite. Ansprechpartner: Stephan Klatt- Wenderodt (Tel. 36138-390, stephan.klatt- wenderodt@ hk24.de ). www.hk24.de/ krisenberatung Ein gutes Netzwerk ist unbezahlbar und will gepflegt werden.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz