August 2019
HAMBURGER WIRTSCHAFT 50 FOTOS LIDIJA DELOVSKA, BARBARA GITSCHEL BELLWINKEL KONTROVERS DISKUTIERT Sollte Bargeld komplett abgescha t werden? PRO KONTRA Zwei von drei Bundesbürgern ärgern sich laut Umfrage des Branchverbandes Bitkom darüber, wenn sie nicht die Wahl haben, mit Karte oder Smart- phone bezahlen zu dürfen. Eine Übersicht digitaler Bezahlsysteme finden Sie hier: www.hk24.de/ payment Fairer und effizienter Argin Keshishian (29) Gründer und Geschäftsführer PCR Public Coffee Roasters GmbH Wenn wir professionelle, faire und transparente Verhältnisse schaffen wollen, dann kann die Ant- wort auf diese Frage nur ein klares Ja sein. Aus Un- ternehmersicht hat der Verzicht auf Bargeld direkte positive Auswirkungen auf Personal-, Buchhal- tungs-, Steuerberatungs- und Managementkosten, was maßgeblich damit zusammenhängt, dass Kas- senabschlüsse per Knopfdruck bereitstehen. In der Gastronomie beispielsweise ergibt sich für die Mitarbeiter eine tägliche Zeitersparnis von 30Minuten. Wesentlich sind aber die Auswirkungen auf Schwarzarbeit und Schwarzgeld. Eine bargeld- lose Wirtschaft führt automatisch dazu, dass die schwarze Bezahlung vonMitarbeitern und sonstiges Schwarzgeld ausgeschlossenwerden. Das führt stets zur Professionalisierung einer Branche und sorgt für eine natürliche Auslese. Unternehmen, die nur aufgrund von Schwarzgeld überleben, wären in ei- ner bargeldlosenWirtscha nichtmehr existent. Die Bagatellisierung von Schwarzarbeit und Schwarzgeld ist meines Erachtens äußerst kritisch zu betrachten: Das Bundesamt für Statistik vermutet allein in der Gastronomie jährliche unversteuerte Einnahmen in zweistelligerMilliardenhöhe – Steuer- gelder, die nach hiesigem Verständnis von Gesell- scha der Gemeinscha zustehen und fürsWohl der Allgemeinheit eingesetzt werden sollen. Dieser As- pekt hat also eine gesamtgesellscha liche Relevanz. Die Fragen, die wir uns hier stellen müssen, sollten sich also weniger auf einen eventuellen Da- tenmissbrauch konzentrieren, denn darauf haben wir als Smartphone-Besitzer und Social-Media- Nutzer bereits deutlich geantwortet. Bei der Ab- schaffung des Bargeldes in der Wirtscha geht es allein um Professionalität, Fairness und Transpa- renz zugunsten der Gesellscha . Ein Stück Kultur Wilfried Thal (61) Geschäftsführer Werbegemeinschaft WAGS Hamburg Events GmbH, Präsident Landesverband des Ambu- lanten Gewerbes und der Schausteller Hamburg e. V. Familienbetriebe und Kleinunternehmen benötigen zur Eigenkontrolle ihrer Betriebe keine Warenwirt- schafts- oder elektronischen Kassensysteme, ge- schweige denn ein rein elektronisches Zahlungssys- tem. Bargeld abzuschaffen ist absurd, würden doch viele kleine Unternehmen bis hin zum Flohmarkt- händler derMöglichkeit beraubt, Handel zu treiben. Die Einkaufslandschaft würde sich drastisch zum Vorteil für Ladenke en verändern, die dann an ihren Kassen auf Personal verzichten. Einkaufen wie im Internet, mit weniger persönlichem Service. Ein- her geht dieAbhängigkeit vonGeldinstituten, dieswi- dersprichtmeiner Idee von freiheitlichemWirtschaf- ten und Leben. Ich möchte keine Überwachung und Analyse meiner Kontodaten, das käme dem Leben in einem totalitären System sehr nahe. Bargeld ist ein Stück Kultur und sagt auch aus, welcher Staat für die Währung bürgt und sie pflegt. Sollte es abgescha werden, würde es nur noch reines Buchgeld geben. Und als nächster Schri könntemöglicherweise auch noch ein virtuelles Bonus-Malus-Punktesystem (Kryptowährung) weltweit das Bargeld ersetzen. Elektronischer Zahlungsverkehr auf Wochen- und Jahrmärktenwürde viel zu lange dauern. Bei den dort häufig anfallenden Kleinstbeträgen wären die Buchungskosten unangemessen hoch. Die zurzeit zur Verfügung stehenden Systeme sind für den Ein- satz im Freien noch nicht geeignet. Deshalb ist Bar- geld, nebenbei auch im zwischenmenschlichen Be- reich, ein nicht wegzudenkendes Zahlungsmittel, mit dem der Mensch jeden Alters und jeden Intel- lekts umzugehen versteht; mit der positiven Wir- kung, dass niemand ausgegrenzt wird und alle in der Gesellschaft problemlos am Wirtschaftsleben teil- nehmen können, ob als Kunde oder Anbieter.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz