August 2019

WWW.HK24.DE 27 PERSÖNLICHES BAJORAT & VITT chen, habe ich den Eindruck, macht gar nicht so viel für die Start-ups wie wir hier inHamburg. Aber dort gibt es halt eine hohe Anzahl von Dax-Konzernen. Hamburg ist der Ursprung vieler Global Player. Be- renberg ist derzeit die zweitälteste Bank der Welt. Wir haben viele Häuser mit sehr langer Tradition. Donner war 1915 die größte Bank derWelt. Das sind alles Dinge, die sind aus dem Kauf- mannstum der Hanseaten entstanden. Der Finanz- platz ist auch deshalb sehr robust, sehr traditionell und verlässlich. Das klingt aber auch ein wenig nach Closed Shop, einem sehr engen Zirkel. André Bajorat, was bedeutet diese Charakterisierung für Start-up-Gründer? Bajorat: Ganz amAnfang war es tatsächlich nicht so, dass die Türen der Hamburger Banken sofort aufge- gangen sind. Das hat sich geändert, als klar wurde, dass Fintech nicht nur ein Buzzword und ein komi- scher, kurzer Trend ist. Heute gibt es einen engen und guten Austausch, die Türen sind nicht geschlos- sen, und auch der Club ist nicht zu. Als Start-up hat man inHamburg eher ein anderes Problem, nämlich die Finanzierung. Das Thema Venture-Capital ist in Hamburg ein bisschen verloren gegangen. Vitt: Ja, das ist so. Und ich würde sagen, man hat zum Beispiel in Berlin das kooperativere Denken und andere Arbeitsmodelle viel schneller etabliert als in den Traditionsunternehmen. Wenn es darum geht, wo können junge Unternehmen agiler, schnel- ler und erfolgreicher gemeinsam arbeiten, hat Ber- lin einen Standortvorteil. Der ist aber auch über viele Jahre aufgebaut worden. Kann denn Hamburg noch mehr tun, um den Standort attraktiver zu machen? Vitt: Ich sage, die Politik in Hamburg hat es nicht verstanden, dem Standort ein klares Profil zu ge- ben. Das ist ein Punkt, der sich dann im Laufe der Jahre bemerkbarmacht. Bajorat: Wenn Facebook und Google heute in Ham- burg ihre Zentrale haben, dann ist das ja nicht der Politik geschuldet, sondern eher privat motivierten Entscheidungen. Der erste Deutschlandchef von Google zum Beispiel hat in Hamburg gewohnt, des- halb sind die hier. Vitt: Ichwar gerade in Tallinn. Die haben viele junge Leute, tolle Universitäten, da gibt es Venture-Capi- tal, da ist Innovationsmanagement, und die Verwal- tung ist total digitalisiert. Das weiß mittlerweile auch jeder. Eine so klare Positionierung fehlt Ham- burg. Und in der Cluster-Politik des Senats finden Sie das Cluster Finanzen derzeit übrigens gar nicht. Ich bin sehr dankbar, dass Finanzsenator Andreas Dressel das Thema jetzt neu aufnimmt. Das gibt mir wieder Hoffnung. André Bajorat, Ihr Unternehmen figo ist gerade mit einer anderen Firma aus Berlin verschmol- zen. Sie haben sich auch persönlich zurückgezo- gen. Werden Sie als Gründer weitermachen? Und falls ja, eher in Hamburg oder in Berlin? Bajorat: Ich bin gar nicht der Gründer von figo, ich war einer der Business Angels. Dann gab es eine Kri- sensituation, und dann bin ich in eine operative Rolle geschlüpft. Das war als Übergangsphase ge- dacht. Daraus sind allerdings fünf Jahre geworden. Im Rahmen des Mergers konnte ich jetzt guten Ge- wissens an drei andere Geschäftsführer übergeben. Und ich bin gerade ganz froh, ein bisschen Zeit zu haben. Ich mache ja auch noch einen eigenen Blog und einen Podcast, wo ich immer wieder Leute zur Financial Technology interviewe. Ob ich noch einmal in Hamburg etwas machen werde? Ich wohne halt in der Region Hamburg, also ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Hamburg wird, recht groß. Aber wo man gründet, liegt einfach oft daran, wo die richtigen Leute zusammenkommen. Ich bin auch ein Bahnfahrer vor dem Herrn. Mich stört es nicht, wenn ich morgens zwei Stunden in der Bahn sitze, umnach Berlin zu kommen. Im Retail-Banking sehen wir viele neue Anbie- ter, die etablierten Banken die Kunden wegneh- men. Gilt oder galt das auch für figo? Bajorat: Nein, figo ist eher ein Service Provider für große Banken. Ich vergleiche das gerne mit der Goldgräberzeit, wo manche Leute nach Gold Fintech ist nicht nur ein Buzzword und ein komischer, kurzer Trend. ANDRÉ M. BAJORAT →