JUNI/JULI 2025

Harald Kreft, Leiter der Hafenbahn Hamburg Statistik Die Hafenbahn erzielte bis zur Pandemie zehn Jahre lang Um- schlagsrekorde. 2021 lag der Spitzenwert bei 48,5 Megatonnen und 2,79 Millionen Standardcontai- nern (TEU). Nach einer kurzen Delle hat sich die Trans- portmenge auf hohem Niveau eingependelt (2024: gut 46 Mil- lionen Tonnen in 58 300 Zügen). Damit hat die Ha- fenbahn 56 Pro- zent der Güter im Verkehrsmix des Hafens („Modal- split“) transpor- tiert. Zwölf Pro- zent aller Güter- züge, die deutsch- landweit verkeh- ren, starten oder enden im Ham- burger Hafen. Im Containerverkehr ist es sogar ein Drittel. Insgesamt haben 164 Ver- kehrsunterneh- men Zugang ins Netz, 50 bis 60 davon verkehren regelmäßig; hinzu kommen zwölf Rangierunterneh- men im Hafen, die teilweise Rangier- einheiten für die Konkurrenz des Hinterlandes be- wegen. JAN FREITAG bahn-Gesellschaft den ersten Teilabschnitt in Be- trieb, der den Sandtorhafen mit dem Bahnhof am Deichtorplatz verband. Wo bald darauf die Speicher- stadt entstand, verkehrten fortan Güterzüge – und revolutionierten den Warenumschlag. Damals ging es ganze drei Kilometer Richtung Sandtorkai und zu- rück. Ein kleiner Schritt für die Dampfloks also, aber ein großer Schritt für Hamburg. Mittlerweile hat sich das Streckennetz ziemlich genau verhundertfacht. Auf 300 Gleiskilometern führen 200 Züge 164 verschiedener Verkehrsunter- nehmen Werktag für Werktag rund 1000 Rangier- fahrten durch. Durchschnittlich 5500 Wa ! gons be- fördern dabei aktuell 46,1 Megatonnen Ladung pro Jahr. Mehr als die Bahnen in Antwerpen, Rotterdam und Bremerhaven – und zwar zusammen, Tendenz steigend. Fast 160 Jahre nach ihrer Einweihung, be- tont HPA-Geschäftsführer Jens Meier im Hausmaga- zin „Port of Hamburg“, habe sich die Hafenbahn vom „einfachen Anschlussgleis“ zum „komplexen System aus Rangierbahnhöfen entwickelt“. Denn seit dem Sprung über die Elbe 1880 expan- diert sie nahezu unaufhörlich. Finkenwerder und Köhlbrand, Hausbruch und Harburg, Kaiser- und Dalmannkai: Als das stählerne Verkehrsgewebe Ende der 1930er-Jahre mit fast 400 Kilometern seinen Höchststand erreichte, wurde ein Großteil der La- dung auf Schienen transportiert. Die Verheerungen des Krieges legten zwar 90 Prozent der Kaischuppen- fläche und einen großen Teil der Hafenanlagen in Schutt und Asche – darunter auch mehr als zwei Drittel der Hafenbahngleise (305 Kilometer). Aber schon fünf Jahre nach Kriegsende war die Infra- struktur wieder weitestgehend intakt – und schuf neue Chancen nachhaltigerModernisierung. Eine der wichtigsten Maßnahmen begann kurz vor dem ersten Containerschiff 1968: die Elektrifizie- rung. Schon vier Jahre später trübte der letzte Dampfzug die Hafenluft, doch schon war das nächste Problem in Sicht: der Autoverkehr. Damit er dem Bahnbetrieb nicht in die Quere kommt, werden bis heute Parallelstrecken eröffnet. Zuletzt auf der neuen Kattwykbrücke über die Süderelbe – flankiert von einer weiteren Großbaustelle. Weil die Lage im Zentrum der Metropole kaum Erweiterungsspiel- räume bietet, sagt HPA-Vertriebsleiterin Frauke Paul, „müssen wir vorhandene Flächen besonders effizi- ent nutzen und die Betriebsläufe kontinuierlich opti- mieren“. Modernisierung und Optimierung Eine stetige Optimierung ist unabdingbar, denn die Hafenbahn, sagt Kai Gerullis, ist nicht nur „ein Ga- rant der Leistungsfähigkeit“, sondern „das Rückgrat des Hafens“. Die 24-stündige Belastung an 365 Tagen im Jahr macht das System schmerzanfällig, so der stellvertretende Geschäftsführer des Handelskam- mer-Bereiches „Nachhaltigkeit und Mobilität“. „Län- gerfristige Sperrungen müssen im Sinne der Wirt- schaft vermiedenwerden“, fordert er – auchmit Blick auf die Lage Anfang Juli, wenn der westliche Hafen- bahnverkehr für den Bau der A26 volle vier Tage zum Erliegen kommen wird. Abseits der konsequenten Trennung von Straße und Schiene wünscht sich Ge- rullis folglich „eine weitere Ausfahrt, um ins Netz der Deutschen Bahn einzufädeln“. Auch im Sinne der Klimaneutralität müsse zu- dem zügig die „weitergehende Elektrifizierung vo- rangebracht werden“, so der Hafenexperte. Hinzu kommt das gegenwärtige Zukunftsthema schlecht- hin: die Digitalisierung. IT-gestützte Verkehrsma- nagementsysteme wie transPORT oder SmartPORT sollen Leerfahrten vermeiden, Stellwerke optimie- ren, Kommunikationswege verbessern – unvermeid- liche Infrastrukturmaßnahmen also, wie übrigens auch die neue Lokservice-Stelle. Mit Parkflächen für 43 Zugmaschinen befördert sieWartung und Parken, Winterdienst und Tanken ins 21. Jahrhundert. Vom Stellwerkstower aus ist sie gut zu sehen. Dort also, wo seit 1995 sämtliche Fäden einer beein- druckenden Infrastruktur zusammenlaufen. Auf Dutzenden von Flatscreens verfolgen einige der 170 Hafenbahn-Fachkräfte, „welcher Wagen mit welcher Ladung sich wo im Hafen genau befindet“. Unterm Panoramafenster zum Beispiel, Altenwerders Kirche im Hintergrund, wird gerade Eisenerz für Salzgitter rangiert. Ein 740 Meter langer, bis zu 6000 Tonnen schwerer Beweis dafür, wie viel Wasser die Elbe hin- untergeflossen ist, seit die Hafenbahn vor 159 Jahren als einfaches Anschlussgleis ihren Anfang nahm. WWW.HK24.DE 55 HAFEN BAHN

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