JUNI/JULI 2025
ment: Eine Fahrt hat ihren Preis. Der Fahrer muss etwas verdie- nen, das Auto und die Unterhaltskostenmüssen bezahlt werden. Die Plattform muss etwas verdienen, und am Ende muss der Kunde das bezahlen. BeimTaxi ist der Preis über das Taxameter geregelt, auch die Festpreise basieren auf dem Korridor ums Taxameter herum. Price-Dumping kann nachhaltig nicht funk- tionieren und auch kein dauerhaftes Mobilitätsangebot bleiben. Wenn wir jetzt mal in die Zukunft gucken: Wie lange gibt es noch Fahrer und Fahrerinnen? Wann haben wir das ers- te selbstfahrende Taxi bei FREENOW? Irgendwann werden in Europa auch autonome Fahrzeuge fahren, da bin ichmir sicher. Aber nicht morgen, nicht nächstes Jahr und wahrscheinlich auch nicht in den nächsten Jahren. Technolo- gisch passiert in Amerika schon einiges, aber natürlich gibt es auch die regulatorische und die Haftungskomponente. Da müs- sen zunächst europäische und Ländergesetze geschaffenwerden. Was wünschst du dir, damit das schneller geht? Technologischen Fortschritt sollte man nicht aufhalten. Ich wünsche mir aber, dass er mit Sinn und Verstand angegangen wird. Es darf keine sinnlose Überregulierung geben, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass das nicht ungesteuert und un- überlegt reinschwappt. Ich gehe von mindestens drei bis fünf Jahren aus. Und es wird nicht von heute auf morgen passieren. Wir wachen nicht morgen auf, und plötzlich sind alle Taxis autonom. Es wird eine Koexistenz geben. Und wir möchten, dass es für die Transition gute Konzepte gibt. Wir möchten den Prozess begleiten, insbesondere aus Sicht unserer Fahrer – aber auch des Endkunden. Als technikaffinerMensch sagt man vielleicht, „das ist ja super spannend, das fährt von selber, Wahnsinn“. Der eigentliche Use Case ist aber: Ich möchte be- quem, sicher und schnell ans Ziel kommen. Das heißt aber auch: Vielleicht möchte ich, dass mir jemand den Kofferraum lädt, weil ich das selber nicht mehr so gut hinbekomme. Oder dass mir jemand aus demAuto hilft undmich zur Tür begleitet, wenn ich eine Krankenfahrt habe und etwa zur Dialyse muss. Das wird eine Maschine nicht machen können. Aktuell sind noch 60 Prozent des Taximarktes offline. Warum ist der Weg so weit? In Europa ist die Digitalisierung insgesamt weniger weit als in Asien oder Amerika. Und das Taxigewerbe ist noch nicht genü- gend digitalisiert. Gerade in Deutschland sind die Regionen sehr fragmentiert. Da versuchen wir, einen Beitrag zu leisten. Häufig gibt es aber auch ein gewisses Vertrauens- und Sicherheitsgefühl, wenn ich irgendwo anrufe: „Okay, ich habemit jemandemgespro- chen, dann kommt das Taxi auch.“ Da versuchen wir natürlich auch, etwas zu tun. Wir haben jetzt ein Vorbestellungsverspre- chen eingeführt: Wir garantieren, dass das vorbestellte Taxi kommt. Wenn nicht, gibt es eine großzügige Entschädigung. Woran arbeitet ihr gerade, um nach vorne zu kommen? Tatsächlich an der Digitalisierung des Offline-Marktes. Da ist ein riesiges Wachstumspotenzial, etwa im großen Bereich der Non-Emergency-Krankentransporte. Das läuft bisher alles komplett offline ab. Nicht nur die Bestellung: Der Patient hat einen Zettel für die Krankenkasse, den der Taxifahrer unter- schreiben muss. Seit Ende letzten Jahres arbeiten wir gemein- sam mit der Techniker-Krankenkasse an einer Digitalisie- rungslösung. Und wie ist euer Fokus auf den ÖPNV? Wir sind sehr dankbar über das Deutschland-Ticket, weil wir da- mit flächendeckend Zugang zum ÖPNV anbieten können. Wir sind auchmit demRhein-Main-Verkehrsverbund integriert. Das Problem ist aber, dass jeder Verkehrsverbund seine eigene Tech- nik hat. Es gibt keine standardisierten API. Das heißt, der An- schluss von BVGundHVVwäre jeweils eine Einzellösung. Das ist sehr zeitaufwendig und rein wirtschaftlich nicht einfach zu rechtfertigen, weil beim Verkauf eines ÖPNV-Tickets keine gro- ßeMarge für uns drin ist. Eswäre ein sehr kleinteiliges Geschäft. Deswegen haben wir da jetzt keinen direkten Fokus drauf. Der US-Fahrdienstleister Lyft hat angekündigt, FREENOW für umgerechnet rund 175 Millionen Euro von der BMW GroupundMercedes-BenzMobility zuübernehmen. Kannst du schon absehen, welche Auswirkungen das haben wird? Der Einstieg von Lyft ist für uns natürlich ein großer Schritt – und, ehrlich gesagt, auch eine spannende Chance. Lyft bringt viel Erfahrung in Sachen Technologie und Nutzerfreundlich- keit mit, und das ergänzt sich ziemlich gut mit unserem Know- how im europäischen Taximarkt. Uns verbindet die gleiche Vision: Mobilität besser, einfacher und effizienter zu machen – für alle Beteiligten: Fahrerinnen und Fahrer, Flottenbetreiber, Fahrgäste. Wir versprechen uns davon nicht nur mehr Reich- weite, sondern auch neue Impulse, wie wir unser Angebot noch besser auf die Bedürfnisse vor Ort zuschneiden können. Und das gilt auch für den B2B-Bereich, wo wir durch die Zusammen- arbeit flexiblere und effizientere Lösungen für Geschäfts- kunden entwickeln wollen. Wichtig ist: UnsereWerte blei- ben dieselben – nur dass wir jetzt mit mehr Ressourcen und internationalem Rücken- wind unterwegs sein werden. Zum Abschluss: Wie sieht der Mobilitätsalltag in Ham- burg im Jahr 2040 aus? Es wird einen fantastischen, extrem bequemen Zugang zu Mobilitätslösungen geben. Es wird sauber und leise sein. Es wird sicher sein, und es wird schnell sein. Das ist mein Wunsch. Und es wird nicht nur ein Verkehrsmittel geben, son- dern die gesamte Klaviatur von dem, was es heute gibt oder vielleicht bis dahin auch noch geben wird. Hinweis: Aus Platzgründen wurde der Wortlaut des Gesprächs stark gekürzt und zudem redaktionell bearbeitet . Thomas Zimmermann (re.) im Gespräch mit Dr. Malte Heyne 29 PERSÖNLICH THOMAS ZIMMERMANN WWW.HK24.DE
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz