Juni/Juli 2024

Mit Tradition voran Für seine zahlreichen Traditionsunternehmen ist Hamburg ebenso bekannt wie für seine Start-ups. Einige können in diesem Jahr ein ganz besonderes Jubiläum feiern. Die HW besuchte zehn von ihnen. TEXT: FRANK SCHLATERMUND FOTOS: KARIN GERDES (5) UND MIKE SCHAEFER (1) → Präses Prof. Norbert Aust (2. v. li.) und Hauptgeschäfts- führer Dr. Malte Heyne (re.) übergeben Nikolaus W. Schües (2. v. re.) und seinem Sohn Nikolaus H. Schües (li.) die Jubiläumsurkunde. WWW.HK24.DE 55 HAMBURGER FIRMENJUBILÄEN F. LAEISZ Als erfolgreicher Reeder hat Nikolaus W. Schües in seinem Leben viele Entscheidungen treffen müssen. Keine davon, sagt er, habe er bereut: „Ich würde alles immer wieder so machen.“ Schiffe haben ihn sein ganzes Leben fasziniert. Als Kind segelte er auf der Elbe, und mit 13 wusste er bereits, dass er Reeder werden wollte. Zielstrebig ging er seinen Weg. Auf seine Zeit im Internat Louisenlund, auf die er dankbar zurückblickt, folgten 1956 Abitur in Hamburg und Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann. Danach kamen berufliche Stationen in London, Dublin und New York. „In den USA erreichte mich dann ein Anruf der Reederei F. Laeisz“, erinnert sich der Altpräses der Handelskammer. „Man wollte mich in Hamburg als Leiter der Reedereiabteilung, und ich sagte zu.“ Das war 1961. Bereits zwölf Jahre später stieg Schües als Partner in das von Ferdinand Laeisz 1824 gegründete Unternehmen ein, das er 2004 vollständig erwerben sollte. Was vor 200 Jahren mit der Herstellung von Zylinderhüten begann, hatte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer renommierten Reederei gewandelt, die heute mit ihren Forschungs- schiffen, Gas- und Auto-Carriern zu den traditionsreichs- ten des Landes zählt. „Wir sind die drittälteste Reederei“, so Schües. „Uns gibt es auch nach so langer Zeit noch, weil wir stets umsichtig gehandelt haben.“ Nicht nur, was Investitionen betrifft: Bereits beim 150. Jubiläum sprach er von Klimaschutz und davon, die Umwelt zu erhalten. Die Reederei führt inzwischen sein Sohn Nikolaus H. „Er macht einen sehr guten Job“, lobte der Vater anlässlich seiner Rede zur 200-Jahr-Feier in der Laeiszhalle, dem einst von Carl und Sophie Laeisz gestifteten Konzerthaus. Viel Prominenz fand sich an jenem Abend ein, darunter Altbundespräsident JoachimGauck. Nikolaus W. Schües ist auch als Mäzen bekannt, der vor allem die Kunst liebt. Unzählige Bilder zieren die Wände seines Büros. Werke von Friedel Anderson sind darunter, von Klaus Fußmann und Eduard Bargheer, von Horst Janssen, Johannes Duwe, Markus Lüpertz und Jochen Hein. Sehr früh schon haben er und seine Frau damit begonnen, diese Sammlung zusammenzutra- gen. Um sie den Nachkom- men zu erhalten, gründeten beide vor Jahren die „Kunststiftung Christa und Nikolaus Schües“. AUTOHAUS W. WÜLFING & SOHN Als er das Autohaus W. Wülfing & Sohn 1974 gemeinsam mit seinem Vater gegründet hat, war Ralph Wülfing gerade einmal 22 – und nach eigener Aussage der jüngste Kfz-Meister Hamburgs. „Mein Vater hatte zuvor eine kleine Werkstatt in St. Georg“, berichtet er. „Mit der Neugründung zogen wir nach Dulsberg in die Nebendahl- straße.“ Dort befindet sich der Betrieb noch heute. Gleise, die durch die riesige Kfz-Halle laufen, erinnern an die Köhlerei, die einst dort ansässig war. Seit jeher repariert und verkauft das Autohaus ausschließlich Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz. „Andere Hersteller kommen mir nicht in die Halle“, so Ralph Wülfing. „Meine Frau sagt immer: ‚Wo andere ein Herz haben, hast du einen Mercedes-Stern‘.“ Sein ganzer Stolz: ein zweitüriger 170 V von 1936, von dem es insgesamt nur noch vier weltweit gibt. Vor langer Zeit hatte er das Auto einem Bauern in der Heide für 500 Mark abgekauft und es zehn Jahre lang liebevoll restauriert. Heute ist es ein kleines Vermögen wert und unverkäuflich. Wer einen Mercedes kaufen oder reparieren lassen möchte, landet nicht selten früher oder später im Büro von Ralph Wülfing. Die Kundschaft kennt ihn und vertraut ihm: „Bei mir zählt noch der Handschlag.“ Zuweilen kommt es vor, dass er zwischen 7 und 10 Uhr am Vormittag bereits drei Fahrzeuge verkauft hat, pro Jahr sind es etwa 200 bis 250. Sein Kundenkreis reicht bis nach Grömitz an der Ostsee, wo er mit seiner Familie lebt. Einer seiner fünf Mitarbeiter, von denen zwei bereits seit der Gründung für ihn tätig sind, holt die Fahrzeuge, die in der Hamburger Werkstatt repariert werden sollen, in Grömitz ab und bringt sie anschließend wieder zurück: „Das ist unser ganz spezieller, kostenloser Service.“ In Hamburg hält sich Wülfing nur vier Tage pro Woche auf. Am Donnerstagabend begibt er sich immer auf den Weg nach Grömitz, wo er Mitglied im Gemeinderat, im Gewerbeverein und in der Bürgergilde ist und wo er auch einige Ferienwohnungen besitzt. Mit 72 Jahren denkt er schon darüber nach, wem er sein Unternehmen eines Tages verkaufen kann. Denn nichts wünscht er sich mehr, als dass das „Autohaus W. Wülfing & Sohn Nachf. Ralph Wülfing“ auch noch die nächsten 50 Jahre existiert. 50 JAHRE 200 JAHRE

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