Juni/ Juli 2022

Historische Bündnisse Hanse Die Hanse bildete sich ab dem 12. Jahrhundert als lose Vereinigung Seehandel trei- bender Kaufleute. Im Laufe der Zeit erlangte sie immer mehr Macht, ins- besondere durch den Beitritt ganzer Städte ab dem 14. Jahrhundert. Gemeener Kopman Aus dem Zusam- menschluss Ham- burger Kaufleute von 1517 entstand die Commerz- deputation und später die Han- delskammer. Deutscher Zollverein 1833 gegründet, schuf er eine Art Binnenmarkt der deutschen König- reiche und Fürs- tentümer. Ende des 18. Jahrhun- derts waren die- se noch von rund 1800 Zollgrenzen geteilt. Norddeutscher Bund Als Nachfolger des aufgelösten Deut- schen Bundes 1867 unter Ägide Otto von Bis- marcks nördlich der Mainlinie als Bundesstaat mit 22 Mitgliedern ge- gründet. Deutsches Reich Der erste deut- sche Nationalstaat entstand nach dem deutsch- französischen Krieg 1870/71. Europäische Union Durch den Vertrag von Maastricht 1993 schlossen sich die Europäi- schen Gemein- schaften zur EU zusammen. tendenziell skeptisch, gar bewusst außen vor und schafft es auch so aus demSchatten einst bedeutender Konkurrenten wie Stade oder Greifswald – weithin sichtbar an der Speicherstadt, die sich Hamburg ab 1883 ins Herz baute: Im neu geschaffenen Freihafen konnte die Hansestadt ab 1888 importierte Waren zollfrei lagernund teilswieder exportieren. Bremen undHamburg sichern sich die norddeut- scheHegemonie imnationalenWirtschaftsraum– bis dem Tor zur Welt 1945 der Osten wegbricht und sich das ökonomische Nord-Süd-Gefälle allmählich um- kehrt. Noch 1960 ist Bayern das ärmste Bundesland, einige Jahre später ist es – nach Hamburg – das reichste. Ein Abstand, den die Krisen seit 2009 noch steigern. Im Konzert der Nettozahler beim Länderfi- nanzausgleich spielt deshalb nur Hamburg mit, sub- ventioniert seine Anrainer aber auch indirekt quer. Schleswig-Holstein etwa dadurch, dass sein Bruttoin- landsprodukt zu 60 Prozent in der Metropolregion Hamburg erwirtschaftet wird. Und Niedersachsen, demHamburgs Hafenwirtschaft eine bedeutende An- zahl vonArbeitsplätzen beschert. Aber was macht den Norden angesichts dieser Gefälle im Gefälle dann eigentlich zum Norden, was eint ihn in zerstrittener Zeit? Zu einemNordstaat hat es nicht gereicht. Doch für Heiner Schote ist genug Ei- nigendes vorhanden, um abseits von Geografie und Geschichte von „einer ge- meinsamen Idee“ zu spre- chen. Aus Sicht des Team- leiters Handel der Han- delskammer habe sich mit der deutschen Wiederver- einigung und den EU-Er- weiterungen schließlich nicht nur das Tor zum Os- ten geöffnet. Hinzu kämen die besondere Bedeutung der nachhaltigen Ener- gien, des regionalen Tou- rismus und der maritimen Wirtschaft, die in allen norddeutschen Ländern eine besondere Rolle spie- len: Überall ist sich Norddeutschland „gemeinsamer Interessen bewusst geworden“. Und wo die IHK Nord noch Seeküsten oder Was- serstraßen als Bindeglieder aufzählt, ergänzt der studierte Geograf Schote ein atmosphärisches: Platt- deutsch. Das wird zwar kaum noch gesprochen, wirkt aber nach. In den Köpfen, in den Herzen. Wie die Hanse. Dochwer ihr durchdie Geschichte folgt, sieht eher Zweck- als Liebesbünd- nisse. Nützlich genug, um „trotz verschiedener Staat- lichkeit lukrativen Handel zu betreiben“, weiß Dr. Dirk Lau, der bei der Kam- mer zuständig für die In- dustrie ist. Die Hanse war aber „weder eine Institu- tion zur Einigung Norddeutschlands noch eine natio- nale Veranstaltung“. Zwischen Nowgorod, Bergen, Köln und Lübeck wurde mit anderen Städten „ein Korres- pondentennetz von Kaufleuten und Wirtschaftsverei- nigungen zur Pflege und Abwicklung von Transport und Geschäft“ unterhalten. Wenn auch zum Wohle Hamburgs undBremens. Zumindest imMittelalter. Neue Allianzen In der Neuzeit dagegen lenkt die Eroberung Ameri- kas Nordeuropas Warenströme von der Ostsee Rich- tung Atlantik, in diesem Zuge gewinnen auch die Nordseehäfen an Bedeutung. Schon im 16. Jahrhun- dert wird die Beförderung über Land immer wichti- ger, auch dank besser aus- gebauter Wege und Trans- portmittel. Und unter dem Druck aufstrebender Mächte wie Preußen oder Wien verlieren die Hanse- städte zudem allmählich „die nötige Eintracht, um Gemeinsamkeiten zu fin- den und zu verfolgen“, weiß Dominik Kuhn vom Hansischen Geschichts- verein. Was Stadtstaaten wie Hamburg, Lübeck und Bremen seit dem Ende alter Koalitionen al- lerdings beständig verbin- det, ist bei aller Konkurrenz: die Abneigung gegen Handelshemmnisse. Dem Zollverein von 1833 bleiben sie deshalb 55 Jahre fern, denn dieser schaffte zwar etliche Zollgren- zen ab, ein Beitritt hätte aber den zollfreien Seehandel erschwert. Als sich 22 Staaten nördlich der Mainlinie 1867 zum Norddeutschen Bund zusammenschließen, garantiert das ihren Angehörigen gesonderte Bewe- gungsfreiheiten. Alles im Sinne eines liberalen Wirt- schafts- und Politikverständnisses, das Hamburg selbst nach der Reichsgründung 1871 Sonderrechte einbringt. Wann immer feudale Landesväter mit bür- gerlichen koalieren: An Alster und Elbe bleibt man JAN FREITAG redaktion@hamburger-wirtschaft.de London im 16. Jahrhundert: Hier besaßen die Hanse- kaufleute seit 1475 ein mehrere Tausend Quadratmeter großes Gelände am Nordufer der Themse – den Stalhof. Dirk Lau, Leiter der Abtei- lung Klimawende, Energie, Umwelt, Industrie HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE 51 SPUREN SUCHE FOTOS: AKG-IMAGES , STIFTUNG HANSEATISCHES WIRTSCHAFTSARCHIV, ULRICH PERREY

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