Juni/ Juli 2022

Sollte die Stadt mehr Außengastronomie auf Parkplätzen genehmigen? Was uns jetzt hilft, sind Sitzplätze draußen Claudia Haas (46), Mitinhaberin Jolie Restaurant Ich bin für mehr Außengastronomie, auch wenn dafür Parkplätze wegfallen. 2020 und 2021 waren für uns eine Katastrophe. Erst mussten wir schließen, dann blieben die Gäste weg, Firmen- und Weihnachtsfeiern fandennicht statt. DieEinbußen, dieuns diePandemie beschert hat, sind enorm. Was uns jetzt helfen könnte, wären Sitzplätze im Außenbereich. Nach zwei Jahren Verlust wäre es von der Politik ein schönes Signal ge- wesen, „fünf gerade“ seinzu lassen. Stattdessen heißt es, Außengastronomie erhöhe das Lärmaufkommen. Dabei ist bei uns alles reglemen- tiert: Draußen gilt die Sperrstunde ab 22 Uhr, wir sind verantwortlich, sollten unsere Gäste Müll hinterlas- sen, wir sorgen für Ruhe und Ordnung. Ein Problem sehe ich eher bei denvielenKiosken. Dawirdnichts ge- regelt, die verkaufen ihre Getränke die ganze Nacht hindurch, undwennes lautwird, sagt keiner etwas. Auch das Argument, der Einzelhandel könnte nicht auf Parkplätze verzichten, ist eine Farce. Es gibt in dieser Gegend keine Geschäfte, in denenman große Artikel kaufen könnte, für deren Transport ein Auto notwendig wäre. Die Stadt misst mit zweierlei Maß. Was in Altona, Schanze und Eimsbüttel möglich ist, wird in St. Pauli unter Vorbringung fadenscheiniger Argumente verhindert. Zuerst hieß es, es sei in diesem Jahr gar keine Au- ßengastronomie möglich. Dann kam das, was ich als faulen Kompromiss bezeichne: Außennutzung von Freitag bis Sonntag von 17 bis 22 Uhr. Das hilft der Branche in der aktuellen Lage nicht viel weiter. Man hat das Gefühl, die Politik wertschätzt all das Positive, das gut geführteGastronomiemit sichbringt, inkeiner Weise. Gastronomie ist nicht Lärm und zügelloses Ge- lage, sondern vielmehr Kultur, soziales Miteinander, dieKunst desGenusses. Parken ist schon jetzt schwierig genug Holger Wiese (61), Geschäftsinhaber S&W SchmuckWerkstatt Mehr Außengastronomie auf Parkplätzen ist aus mei- ner Sicht nicht generell zu befürworten. Aufgrund der massiven Einschränkungen während der Corona-­ Pandemie in Innenräumen war diese Maßnahme in den vergangenen zwei Jahren sicherlich eine geeignete kurzfristigeLösung. AndereBranchenhingegenhaben darunter gelitten: Geschäfte beispielsweise, die auf Kurzparkmöglichkeiten angewiesen sind, mussten durch den dann noch stärker eingeschränkten Park- raum erhebliche Nachteile hinnehmen. Das betraf zumTeil auchdieGastronomie selbst. Die Parkraumsituation in unserem Quartier ist schon jetzt schwierig genug. In größerem Maß davon betroffen sind vor allem ältere Personen, die auf Park- flächen in unmittelbarer Nähe der Geschäfte, in denen sie einkaufen, angewiesen sind, um größere Fußmär- sche zu vermeiden. Oftmals hört man auch Sätze wie: „Dort gibt es ja kaumParkplätze, damüssenwir einmal schauen, obwir überhaupt kommenkönnen.“ Ich denke, wenn Parkraum von der Gastronomie belegt wird, ist die Situation auch für Handwerker noch komplizierter. Und für Lieferanten: Sobald Park- plätze nicht schnell verfügbar sind, kann es durchaus vorkommen, dass die Kuriere, zumindest wenn siemit Pkw oder Lkw unterwegs sind, aus Zeitmangel nicht ameigentlichzugesagtenTag ausliefern. Es braucht daher dringend Lade- und Arbeitszo- nen sowie Serviceparkplätze, die dem Wirtschafts- und Lieferverkehr vorbehalten sind. Allerdings sind derartige Ausgleichsflächen gerade in der City nur schwer zu realisieren. StattdessenwerdenParkflächen eingeschränkt. Ichhabe volles Verständnis für dieGas- tronomen, diewirklich zu leidenhatten. Aber ichmuss ebenfalls anmeinGeschäft und anmeine Kunden den- ken.Wenndiewegbleiben, habe auch icheinProblem. Hamburg-Mitte ist bekannt für viel Gastronomie, aber auch für die zahlreichen Menschen, die dort leben. Um Lärm zu vermei- den, gelten in Mitte zum Teil ganz eigene Regeln, was Außengastrono- mie betrifft. Zum Beispiel können Parkplätze und Ladeflächen von Freitag (17 Uhr) bis Sonntag (22 Uhr) für Außengastro- nomie genutzt werden. Allerdings muss das Mobiliar abends jeweils weggeräumt werden, damit niemand die Möglichkeit besitzt, sich dort nach Schließung der Gastronomie niederzulassen und die Nachtruhe zu stören. Von Sonntag- bis Donnerstagabend müssen diese Flächen wieder als Park- oder Ladezone hergestellt werden. Sollte es zu Beschwerden kommen (Lärm, nicht erfüllte Auflagen), kann eine Genehmigung jederzeit widerrufen werden. 24 HAMBURGER-WIRTSCHAFT.DE FOTOS: PRIVAT (2) PRO & KONTRA

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