Juni 2020

HAMBURGER WIRTSCHAFT 32 BRANCHEN REPORT FOTO ISTOCK.COM MF GUDDYX INDUSTRIE Mit Zwei-Schicht-Modellen sichert der Hamburger Mittel- stand den Betrieb in Corona-Zeiten. Ein breites Produktspektrum hält das Geschäft stabil – auch wenn manche Beschäftigte in Kurzarbeit sind. Der Krise trotzen D ie Projekte laufen mit Volldampf weiter, auch die Baustellen“, zeigt sich Dr.-Ing. Stefan Ehmann opti- mistisch. In der privaten Immobilien- wirtschaft gebe es zwar ein „Innehalten“, von der öffentlichen Hand kämen aber „viele neue Aufträge“, so der Geschäfts- führer des Ingenieurbüros WTM Engi- neers, das als Dienstleister für die Bau- wirtschaft 200 Personen beschäftigt. Und der Betrieb hat sich rasch auf die Pande- mie eingestellt – er stellte den Kollegen imHomeoffice Laptops vor die Tür. „Exo- ten wie ITler werden zu Helden“ lobt Eh- mann, „sie versorgen uns zu Hause mit WLAN für Videokonferenzen und Telefo- nie.“ So ließ sich auch die Arbeit neu or- SCHLECHTE AUSSICHTEN Die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe zeigt auch die aktuelle Konjunkturumfrage (siehe Seite 20): Von etwa 70 befragten Betrieben beurteilt zwar nur ein Drittel die derzeitige Situation als schlecht – aber gut drei Viertel sehen „eher ungünstige“ Aussichten. Unter- stützung und Beratung bietet unsere Handels- kammer unter anderemmit dem Kompetenz- zentrumMittelstand 4.0 an. Infos unter: www.kompetenzzentrum-hamburg.digital Einigen Betrieben kommt eine breite Produktpalette zugute – etwa HOBUM Oleochemicals in Harburg. „Bei pflanzli- chen Weichmachern für Nahrungsmit- tel-Verpackungen oder Blutplasma-Beu- teln kommen wir nicht hinterher“, sagt Geschäftsführer Arnold Georg Mergell. Durchwachsen laufe es jedoch bei Lacken und Farben: In der Bauchemie sei die Auftragslage gut, aber in der Automo- bilbranche gebe es „100 Prozent Minus“. Die Folge: „Insgesamt habenwir imApril/ Mai 20 Prozent weniger Umsatz gemacht als im Vorjahreszeitraum“, so Mergell. Der Betrieb mit 50 Beschäftigten musste 20 Prozent Kurzarbeit anmelden. Um Liquidität zu bewahren, falls die Krise länger andauert, hat Mergell zudem KfW-Kredite beantragt. Doch er bemän- gelt: „Dieses Geld steht nicht mehr für In- vestitionen zurVerfügung, weil dieKredite zurückgezahlt werden müssen.“ Der stell- vertretende Vorsitzende des Wirtschafts- vereins für den Hamburger Süden fordert daher einen späteren Teilerlass: „Dies sollte an den Erhalt von versicherungs- pflichtigenArbeitsplätzen geknüpft sein.“ Hamburgs mittelständische Indus- triemanager haben sich auf eine längere Durststrecke eingestellt. „Wir rechnenmit Unsicherheiten im Markt, die uns etwa zwölf Monate begleiten“, sagt Reeder. Eh- mann hält immerhin einenNeustart Ende 2020 für möglich – und lobt den Digitali- sierungsschub: „Vorher hatten wir irre viele Reisezeiten, jetzt werden große Bau- verträge online verhandelt.“ Besprechun- gen, Bewerbungsgespräche,öffentliche Vergabeverfahren – das alles laufe jetzt online. Und er hofft, „dass das in großen Teilen so bleibt“. KERSTIN KLOSS redaktion@hamburger-wirtschaft.de ganisieren: Jeweils die Hälfte der Beleg- schaft arbeitet derzeit daheim. Flexibilität ist heute Trumpf: Das gilt für viele der über 450 Hamburger Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes, die 2018 fast 80 Milliarden Euro mit mehr als 88 000 Beschäftigten erwirt- schafteten – und insbesondere auch für den Mittelstand, der an Deutschlands bedeutendstem Industriestandort eine entscheidende Rolle spielt. So stellte auch Hein & Oetting Fein- werktechnik in Rahlstedt auf zwei Schichten um, bis zu zehn der knapp 60 Mitarbeiter sind im Homeoffice. „Wir müssen die Belieferung unserer Kunden aus der Medizintechnik unbedingt si- cherstellen“, erklärt Geschäftsführer Lars Reeder, denn hier gebe es wegen Co- vid-19 stark gestiegene Bedarfe. Die Firma stellt unter anderem mechanische Bau- teile für Druckminderer zum Betrieb von Beatmungsgeräten her. So freut sich Ree- der: „Wir spüren eine nur geringe Verän- derung in unserer Auslastung.“ Zwar gebe es Kunden, „die etwas reduziert beauftra- gen“, etwa bei Lasertechnik. Insgesamt laufe das Geschäft stabil. zuletzt: 47,9 Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe Indexwerte (Punkte zwischen 0 und 200) I /2008 I /2009 I /2010 I /2011 I /2012 I /2013 I /2014 I /2015 I /2016 I /2017 I /2018 I /2019 I /2020 150 100 50 0

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