APRIL/MAI 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 28 PERSÖNLICH ENGLER, HÄDER, KAIRIES & VON HAVE Frau Kairies, Frau Häder, Herr von Have, wann waren Sie zuletzt in der Innenstadt? SylvaKairies: Ichmusste gerade überlegen. Das war im November 2020, um Materialien für einen Kin- dergeburtstag zu kaufen, die ich bei uns im Viertel nicht finde. Nina Häder: Allzu häufig bin ich nicht in der Innen- stadt unterwegs. Das letzte Mal kurz vor dem zwei- ten Lockdown, um noch rechtzeitig Weihnachtsge- schenke zu bekommen. ChristophvonHave: Seit demerstenLockdownwar ich nur einmal in den Herbstferien zum Shoppen in der Innenstadt, und das auch nur für Freunde, die bei uns zu Besuch waren. Vor 14 Tagen habe ich ei- nen Kunden in der Speicherstadt besucht und dachte: Wahnsinn, du bist wieder in Hamburg City, das kennst du ja fast gar nichtmehr! Das hört sich alles nicht nach einer hohen Be- suchsfrequenz an. Frau Engler, ist unser kleines Stimmungsbild typisch? Brigitte Engler : Bei den Berufsgruppen, die hier ver- treten sind, wundert mich das nicht. Wer Quartiere vertritt, wie wir das alle tun, der bleibt aus Überzeu- gungdort. Und Siebekommen ja auch fast alles inden Quartieren.Wir haben inHamburg die Besonderheit, dass nur knapp 18 Prozent des stationärenEinzelhan- delsumsatzes in der City erwirtschaftet werden. Das ist eine Herausforderung, die mich seit 15 Jahren be- gleitet. Viele Hamburger und Hamburgerinnen blei- ben traditionell in ihren Quartieren, Hamburg liebt seine Kieze. Es gibt aber zumGlück auch viele, die re- gelmäßig in die City kommen und ihre Lieblingsge- schäfte besuchen. Daneben lebt die Innenstadt von denStädtereisendenund vomTagestourismus. Machen Quartiere wie der Tibarg der Innen- stadt zu viel Konkurrenz? Häder: Nein, ich glaube nicht. Wir unterscheiden uns deutlich vonder Innenstadt. ZumTibarg komme City vs. Nachbarschaft, alle vs. E-Commerce? Wo kauft Hamburg in Zukunft ein? Und wie entwickeln sich die unterschiedlichen Quartiere im Verhältnis zur Innenstadt? Die Chancen und Risiken des stationären Handels und der Stadtteile in Hamburg diskutierten für die HWCity-Managerin Brigitte Engler, Tibarg-Quartiersmanagerin Nina Häder sowie die Gewerbetreibenden Sylva Kairies (Hoheluft-Ost) und Christoph von Have (Bergedorf). ich, um meinen täglichen Bedarf zu decken. Wenn ich eine Shoppingtour machen möchte, dann fahre ich in die Innenstadt oder andere Quartiere. Frau Kairies, Ihr Geschäft liegt in Hoheluft-Ost, einem Viertel, das schon weitgehend den Vor- stellungen der heute oft diskutierten „15-Minu- ten-Nachbarschaft“ entspricht: Alles, was man braucht, befindet sich dort auf engstem Raum – vom Arzt über den Frisör bis zum Modege- schäft. Machen Sie der City damit nicht Kon- kurrenz? Kairies: Natürlich finde ich es gut, dass man Dinge des täglichen Lebens schnell und einfach einkaufen kann. Aber wir sprechen einerseits über Nahversor- gung, andererseits über Shopping als Erlebnis oder Unterhaltung. Als Konkurrenz zur Innenstadt sehe ich das überhaupt nicht. Bei uns gibt es primär inha- bergeführten kleinen Einzelhandel, kaum Ketten. Die Leute, die zu uns kommen, suchen eher das Spe- zielle, nicht den Mainstream. Auch in der Gastrono- mie sind das inhabergeführte Angebote, die sehr speziell sind. Sie bieten zumBeispiel rein vegane Kü- che an oder Kaffee aus New York, für den die Leute Schlange stehen. Engler: Eine Anmerkung zum Thema Konkurrenz: Aus jeder Krise ergeben sich auch positive Ansätze. Die Manager der verschiedenen Quartiere sind im letzten Jahr sehr eng zusammengerückt. Ob ein Quartier in der Waitzstraße liegt oder in der Oster- straße, am Tibarg oder in der Innenstadt, überall kommen die gleichen Fragen auf. Und wir vernetzen unsmehr. Frau Engler, hätten Sie auch gerne so kleintei- lige Geschäfte, vor denen die Leute Schlange stehen? In der Innenstadt ist das vermutlich schwierig, weil die Mietpreise so hoch sind. Engler: Dieses Vorurteil räume ich gern hier aus! Es gibt viel mehr kleine und individuelle Geschäfte in FOTOS: OLIVER VONBERG/ARIANE GRAMELSPACHER (MONTAGE)

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