April / Mai 2020

HAMBURGER WIRTSCHAFT 34 ZEIT REISE FOTOS: ISTOCKPHOTO, STAATSARCHIV HAMBURG D ie Wirtschaft boomt, der Schiffsverkehr auch, das Leben geht seinen lebhaften Gang, als ein Erreger aus dem Osten auch in Ham­ burg zu wüten beginnt. Nur Tage nach dem ersten Todesfall steigt die Zahl der Infizierten derart an, dass anfangs zögerliche Politiker drastische Maß­ nahmen zur Eindämmung ergreifen, die ein welt­ bekannter Mediziner öffentlich kommentiert. Und nein: Es handelt sich dabei nicht um Christian Drosten, dessen NDR-Podcast seit Wochen über COVID-19 informiert. Der Arzt heißt Robert Koch. Und der Erreger, mit dem es der Leiter des König­ lich Preußischen Instituts für Infektionskrankhei­ ten beim Besuch der Hansestadt vor 128 Jahren zu tun hat, ist ein Bakteriumnamens „Vibrio cholerae“, besser bekannt als Cholera. Offiziell hatte diese Infektionskrankheit im Spätsommer 1892 gut die Hälfte der etwa 16956 Erkrankten dahingerafft. Angesichts der katastro­ phalen hygienischen, vor allem aber sozialen Ver­ hältnisse im heillos überbevölkerten Gängeviertel zwischen Alster und Elbe dürfte das aber nur ein Bruchteil der tatsächlichen Fälle gewesen sein und damit eine der fatalsten Seuchen seit der Pest. Trotzdem bedeutete die damalige Epidemie mit etwas Abstand betrachtet auch einen Einschnitt zum Positiven. Denn wie so oft in der Zivilisations­ geschichte – wie hoffentlich auch dann wieder, wenn die Weltgemeinschaft auf das Ende der Corona-Pandemie zurückblickt –, entstand auf den Ruinen des Alten etwas Neues; der Historiker Ort­ win Pelc ist trotz des menschlichen Leids fast ge­ neigt zu sagen: Besseres. Nachdem Choleraausbrüche in den unzu­ reichend entwässerten Städten in den Jahrzehnten zuvor bei Kaufleuten und Senatoren angesichts der Der Hygieia-Brunnen im Ehrenhof zwischen Handels- kammer und Rathaus entstand 1895/1896 als Erinnerung an die Choleraepidemie von 1892 Pandemien und ihre Folgen So furchtbar Seuchen seit alters her auch wüten – oft bringen sie den gesellschaftlichen Wandel voran. Ein Blick zurück auf Pest, Cholera und HIV in Hamburg.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz