April/Mai 2022

Kernorte des Hafens Nikolaifleet und Trostbrücke Als der erste Hafen im 13. Jahrhundert zur Alstermündung wanderte, konzen- trierten sich Wirt- schaft und Politik am Nikolaifleet mit Rathaus, Börse und Gericht. Binnen- und Niederhafen Am Baumwall ent- stand die älteste betriebene Hafen- anlage, die Anfang des 18. Jahrhun- derts endgültig an die Elbe umzog. Sandtorhafen und Speicherstadt Der Sandtorhafen (eröffnet 1866) und die Speicher- stadt (Baubeginn 1883) boten nötige Kapazitäten für Kolonialwarenum- schlag und Dampfschifffahrt. Container und Köhlbrandbrücke Mit dem Umbau des Burchardkais zum Containerter- minal entstand der Hafen von 1967 an neu. 1974 kam die Köhlbrandbrücke hinzu, 1975 der neue Elbtunnel. Altenwerder und HafenCity 1998 musste Al- tenwerder den Containern wei- chen. Die Hafen- City mit 7000 Wohnungen ent- steht seit 2003 auf Brachland. Am Petersenkai im Baaken- hafen wurde einst Stückgut wie diese Wollballen umge- schlagen – und Passagiere schifften sich mit der Woer- mann-Linie nach Afrika ein, etwa ab 1921 auf der Wangoni (hinten). JAN FREITAG redaktion@hamburger-wirtschaft.de Binnen- und Niederhafen zwischen 1863 und 1866 zumSandtorhafenwuchs. Bald darauf sprang er über die Elbe und verän- derte auch hier alles – wenngleich selten rückstands- los. Für Daniel Jahn sind Häfen wie alle Siedlungen „Palimpseste“, mittelalterliche Pergamentschriften, „die durch ständiges Überschreiben unkenntlich ge- macht wurden, unter der Oberfläche aber Spuren des Originals erkennen lassen“. Am Nikolaifleet, wo Ende des 12. Jahrhunderts die Urzelle des Weltha- fens entstand, klingt das zwar poetischer als die pro- fane Handelshistorie. Doch weil Daniel Jahn nicht nur imMuseum arbeitet, sondern auch bei der Ham- burg Port Authority, ist seine Hafensicht so emotio- nal wie pragmatisch. Die Bindeglieder, Jahn wiederholt sie oft, lauten Anpassung und Tragfähigkeit. Sie betrafen auch den Kaispeicher A. 1875 als Kaiserspeicher am Großen Grasbrook eröffnet, forcierte er Hamburgs Sprung zum Zentrum der anbrechenden Dampfschifffahrt. Nur 88 Jahre später wurde er, schwer kriegsversehrt, durch zeitgenössischen Beton ersetzt. „Aberwitzig belastbar“, lobt Jahn, hat sein Nachfolger „den trimo- dalenUmschlag vomSchiff auf denKai ins Lager somit um einen Schritt verkürzt“. Bis Container Platz fürs nächste Wahrzeichen schufen. Wandel durch Handel steht eben für Aufbruch und Abbruch in einem – gut zubeobachten inder umliegenden Speicherstadt. Ende des 19. Jahrhunderts als Freihafen gebaut, ist der Touristenmagnet Anfang des 21. Jahrhunderts Heimat neuer Unternehmen und Ateliers vol- ler Ideen und Geschäfte – an ei- nem Ort, für dessen Bau 1883 rund 20 000 Menschen zwangs- umgesiedelt wurden, wie Dirk Reder mahnt. Alles eine Frage historischer Perspektiven also. Während das Wirtschaftswunder Autoschnei- sen durch pulsierende Vorkriegsquartiere trieb, ent- stand die HafenCity ab 2003 auf den Brachen der be- endeten Stückgutära. Und während die Köhlbrand- brücke 1974 Hunderten 17-Tonnern täglich den Weg zwischenWaltershof undWilhelmsburg wies, ist das Industriedenkmal für 40 000 Fahrzeuge mit bis zu 40 Tonnen Gewicht und für gigantische Container- riesen darunter schlicht nicht ausgelegt. Der Abriss einer Landmarke, die von stadtbildprägend bis bau- technisch beispielhaft eigentlich alle Schutzkrite- rien erfüllt, scheint demnach alternativlos zu sein. Und zeigt erneut, wie sichtbar der Fortschritt beste- hende Infrastrukturen umkrempelt. „Hamburg war ja auch mal eine Bierbrauhoch- burg mit 600 Brauereien“, erzählt Reder und ver- weist auf den Kiez, der sich „ohne Matrosenmit loser Heuer“ ebenfalls komplett neu erfunden hat. Im Nachhinein, sagt sein Kollege Jahn, birgt sogar Zer- störung Chancen: Hätte der Brand die Stadt 1842 nicht großflächig verwüstet, „wäre sie ein verschlafe- nes Schatzkästlein wie Rothenburg“. Verschlafen ist es dort, wo mein Vater noch Kaffee, Kakao und gele- gentlich sogar Superheldencomics verladen hat, heute nicht. ImGegenteil. Nur wärmer. Habichthorst 44-46 22459 Hamburg Tel. 040 57 14 70-0 www.sitness-urban.de www.agentur78.de RÜCK BLICK FOTOS: SPEICHERSTADTMUSEUM HAMBURG, GUSTAV WERBECK/HHLA

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