Februar 2019
HAMBURGER WIRTSCHAFT 58 FOTOS: BUCERIUS KUNST FORUM/MAX EICKE, GROSSMANN &BERGER GMBH; REDAKTIONELLE BETREUUNG: FRANK SCHLATERMUND KONTROVERS DISKUTIERT Sollten wir mehr historische Bausubstanz in der Hamburger Innenstadt erhalten? PRO KONTRA ABRISSE → 1958 Gebäude ensemble an der Esplanade (erbaut 1827–30) → 1967 Dovenhof (1895–98) → 1974 Altonaer Bahnhof (1895–98) → 1979 Winterhuder Fährhaus (1854) → 1995 IdunaHochhaus Millerntor (1966) → 2003 Europahaus (1909–12) → 2006 UfaPalast Gänse markt (1957/58) → 2007 Bismarckbad (1911) → 2009 AstraBowlingbahn Millerntor (1958) → 2017 AllianzHochhaus (1968–1971) Altes besticht Prof. Dr. Andreas Hoffmann (47), Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forums Hamburg fehlt das Bewusstsein und die Begeiste- rung für die Bedeutung seiner historischen Bauten. Denkmalschutz hat in unserer Stadt kaum eine Lobby. Oft macht sie es sich im Umgang mit ihrem architektonischen Erbe zu leicht und wurde des- halb nicht ohne Grund schon oft als „Freie und Ab- rissstadt Hamburg“ gescholten. Zur langen Liste der aktuellen Beispiele abge- rissener oder vomAbriss bedrohter Architektur-Iko- nen gehören das Deutschlandhaus am Gänsemarkt, der City-Hof beim Hauptbahnhof, die Post-Pyra- mide in der City-Nord, das Euler-Hermes-Hochhaus in Bahrenfeld oder das Stadtteil-Ensemble am Spritzenplatz in Altona. Etliche Abrisskandidaten gehören zur Vor- und Nachkriegsmoderne, die es im Kampf um die Anerkennung ihres Denkmalwerts besonders schwer hat und deren Sanierung hohe ökonomische Ansprüche stellt. Auch wenn alte Architektur nicht immer gut und neue nicht immer schlecht ist – eine Forsa-Stu- die im Auftrag der ZEIT-Stiftung von 2015 zeigt: Gut instand gehaltene historische Gebäude dürfen für die meisten Menschen in Deutschland nicht fehlen, Neubauten können damit nicht konkurrieren. In al- len Altersgruppen der Gesellschaft wird ihrem ar- chitektonischenWert mit großer Skepsis begegnet. Bauen im Bestand kann den verantwortungs- vollen Umgang mit dem Alten und den Bedarf nach Neuem verbinden. Da erstrahlt amGebäudekomplex amAltenWall die historische Fassade bald in neuem Licht, da wird ein historischer Boulevard wiederbe- lebt und die ehemalige Schalterhalle der Reichsbank neu inszeniert. Da entstehen moderne Büroräume, Gastronomie undmit demneuen Bucerius Kunst Fo- ruman der Bucerius Passage ein neues Ausstellungs- haus hinter der historischen Fassade. Historisches undNeues bilden so ein spannungsvolles Ensemble. Effizienz zählt Axel Steinbrinker (52), Geschäftsführer von Grossmann & Berger Die Diskussion Altbau versus Neubau sollte nicht verkürzt werden auf die Frage, ob Denkmalschutz grundsätzlich richtig und sachgerecht ist. Vielmehr ist dies im Einzelfall zu prüfen und führt häufig zu kontroversen Diskussionen und Standpunkten. Ne- ben dem denkmalpflegerischen Ansatz ist es oft auch eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob einHaus als schützenswert betrachtet wird. Was die Mischung von Alt- und Neubauten an- belangt, liegt Hamburg im deutschlandweiten und europäischen Vergleich weit vorn. Sowohl Investo- ren als auch Besucher und Touristen schätzen die- sen Mix. Denn gerade die Lebendigkeit durch das Nebeneinander von alten und neuen Gebäuden ver- leiht demStadtbild eine gewisse Spannung. Die Ansprüche und das Verhalten von gewerbli- chen Mietern ändern sich, sodass Neubauten auch unter diesem Gesichtspunkt ihre Daseinsberechti- gung haben. Es ist ein wenig wie mit Oldtimern und Neuwagen. Oldtimer werden wegen ihres Flairs und Aussehens geliebt, besser fahren eindeutig die mo- dernen Autos. Neubauten haben den Vorteil, dass sie eine gute Effizienz aufweisen – im Sinne von Flächen- verbrauch pro Mitarbeiter oder energetischer Effi- zienz. Neubauten bieten zudem eine Technik, die alte Gebäude oft nicht haben, wie zum Beispiel Kühldecken, flexible Verkabelung, veränderbare Raumkonzepte oder Belichtung durch bodentiefe Fenster. Hinzu kommt, dass sich die kommende Ge- neration von „Smart Buildings“ höchstwahr- scheinlich nur in einem Neubau realisieren lässt. Hier wird sich durch die Digitalisierung noch vieles ändern und uns Möglichkeiten aufzeigen, die im Altbau nur sehr eingeschränkt realisiert werden können.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz