Februar/März 2021

HAMBURGER WIRTSCHAFT 20 FOTOS: ANDREAS SIBLER/OTTO; M.M.WARBURG & CO PRO & KONTRA Brauchen wir nach Corona noch feste Arbeitsplätze? WAS BEDEUTET „DESKSHARING“? Das Modell „Desk­ sharing“ wird gern dort praktiziert, wo es mehr Mitarbeiter als Arbeitsplätze gibt. Kollegen sind darauf angewiesen, die bestehende Büroinfrastruktur untereinander aufzuteilen. Nie­ mand hat mehr einen festen Ar­ beitsplatz nur für sich, sondern richtet sich dort ein, wo gerade ein Platz frei ist. Damit die Teilung der Schreibtische reibungslos funk­ tioniert, muss jeder Mitarbeiter von jedemComputer aus Zugriff auf die relevanten Daten haben. Das Büro ist der beste Ort zumArbeiten Martin Wehrle (52), Leiter Personal, Marketing & Kommunikation M.M.Warburg & CO Allen Rufen der New-Work-Evangelisten zum Trotz: Eswird auchnachder Pandemie keinenbesserenOrt für Schreibtischarbeit geben als das Büro. Denn es ist kein Zufall, dass wir uns seit rund 150 Jahren dort versammeln. Der Trend zummobilen Arbeiten ist ja nicht neu, und die technischen Möglichkeiten dazu existieren schon seit rund 20 Jahren. Trotzdem gibt es noch Büros. Sie haben sich schlicht als die Umge- bung erwiesen, in derwir amproduktivsten sind. Warum? Weil Menschen als soziale Wesen Probleme jeder Art am schnellsten lösen, wenn sie sich persönlich austauschen können. Die beste Be- triebsgemeinschaft entsteht, wenn Menschen sich physisch begegnen. Die Pandemie hat bewiesen, wie sehr sich die meisten danach sehnen. Zudem ent- steht durch Präsenz das Vertrauen, das für eine gute Zusammenarbeit notwendig ist. Der direkte Aus- tausch mit einem Gesprächspartner und das Agie- ren in Gruppen sind durch nichts zu ersetzen. Das zeigen auch Studien wie die Untersuchung „Home Office 2020“ des Arbeitgeberverbandes der Banken. Demnach sind Menschen am zufriedensten, wenn sie ein bis zwei Tage die Woche im Homeoffice arbeiten können – und den Rest derWoche imBüro. Deshalb bieten wir unabhängig von der Pande- mie mobiles Arbeiten bis zu zwei Tagen wöchentlich an. Wer sich für mobiles Arbeiten oder eine Teilzeit- tätigkeit entscheidet, kann aber nicht erwarten, dass er einen dauerhaft exklusiv ihm vorbehaltenen Ar- beitsplatz hat. Mit zunehmender Nutzung solcher Angebote werden Büros sich künftig also verändern. Neben individuellen und standardisierten, flexiblen Arbeitsplätzen sind Flächen vonnöten, bei denen der Austausch im Vordergrund steht – wie Räume für Projektgruppen oder soziale Interaktionsräume. Bei aller Veränderung wird die Arbeitswelt der Zukunft immer noch einenMittelpunkt haben: das Büro. Feste Arbeitsplätze sind eher hinderlich Katy Roewer (45), Bereichsvorständin Service & Personal OTTO Gerade in agilen, kollaborativen Projektteams sind feste Arbeitsplätze eher hinderlich. Bei OTTO set- zen wir deshalb seit 2017 in immer mehr Abteilun- gen gezielt auf Desk-Sharing – und werden dies in den kommenden Jahrenweiter intensivieren. Dafür haben wir bereits große Teile unserer Arbeitsflächen umgestaltet und konsequent auf Desk-Sharing ausgerichtet. Dazu gehören unter an- derem persönliche Schließfächer, multifunktionale Anschlüsse an allen Schreibtischen, die Schaffung von „Social Spaces“ sowie ein stabiles, schnelles WiFi auf demgesamten Campus. Unterstützt von einer rein cloudbasierten Arbeitsumgebung, konnten wir so schon vor Beginn der Corona-Pandemie vollkommen orts- und arbeitsplatzunabhängig tätig sein – und im März 2020 ebenso problemlos auf mobiles Arbeiten um- stellen. Seitdem arbeiten über 90 Prozent der Kolleg/-innen, in vielenBereichen sogar 100Prozent, von zu Hause. Das klappt nicht nur wunderbar, son- dern ist für mich auch ein weiterer Beleg dafür, dass sich feste Arbeitsplätze vielfach überlebt haben. Unser Ziel für die Zukunft ist es, mobiles Arbei- ten und Präsenzarbeit auf dem Campus zu kombi- nieren. Wir richten uns dabei nach dem Prinzip des aktivitätsbasierten Arbeitens. DieWahl des Arbeits- ortes und der -umgebung erfolgt dabei freiwillig und im Einklang mit den individuellen Team- und Arbeitsprozessen je nach Aufgabe und Funktion. Sicher, auch zukünftig wird es bei uns einige Mitarbeitende geben, die feste Arbeitsplätze auf dem Campus haben, etwa weil sie eine besondere technische oder ergonomische Ausstattung benöti- genoder in sicherheitssensiblenBereichen arbeiten. Das aber wird eher die Ausnahme sein. Einzelbüros haben bei OTTO schon lange ausgedient – der klassi- sche feste Schreibtischwird in vielen Fällen folgen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2ODAz