Januar 2018
HAMBURGER WIRTSCHAFT 01 / 18 IM FOKUS 55 GESUNDHEIT A ls Mediziner, Forscher, Dienstleis- ter oder Entwickler spielen sie im Alltag vieler Menschen eine we- sentliche Rolle – und doch ist ihre Bran- che in der Öffentlichkeit bislang noch verhältnismäßig wenig präsent. Dabei nimmt die Bedeutung der Gesundheits- wirtschaft stetig zu. Besonders in Ham- burg. Laut einer Studie der Gesundheits- wirtschaft Hamburg GmbH (GWHH) steigen die Beschäftigtenzahlen im Ge- sundheitssektor der Hansestadt mit 2,5 Prozent deutlich stärker als im Rest Deutschlands (1,6 Prozent). Die Branche erwirtschaftet hier im Jahr 9,6 Milliarden Euro – und damit jeden zehnten Euro der gesamten Bruttowertschöpfung. „Die Gesundheitswirtschaft ist für die Gesamtwirtschaft Hamburgs mit ei- nem jährlichen Anstieg von 4,2 Prozent ein wesentlicher Wachstumsmotor“, sagt Paul Elsholz, GWHH-Geschäftsführer und Leiter der Abteilung Dienstleistungs- wirtschaft in der Handelskammer. Nicht zuletzt verfügt die Branche über die im Bundesvergleich höchste Bruttowert- schöpfung je Einwohner, die sich im Jahr 2015 auf rund 5400 Euro bezifferte. Die Gesundheitswirtschaft umfasst im Wesentlichen drei Märkte: erstens, die stationäre und ambulante Versorgung und Pflege. Zweitens, die Vorleistungs- und Zulieferungsindustrien. Und zuletzt der Zweite Gesundheitsmarkt, zu dem alle privat finanzierten Produkte und Dienstleistungen wie etwa Fitnessstudios zählen. „Unterschiedliche Teilbereiche wie Krankenhäuser, Apotheken, die in- dustrielle Gesundheitswirtschaft sowie eHealth bilden die tragenden Säulen“, er- klärt Elsholz. Die zunehmende Bedeutung der Ge- sundheitswirtschaft in Hamburg folgt ei- nem bundesweiten Trend. Einem im No- vember veröffentlichten Länderbericht der EU-Kommissionen zufolge liegen die Ge- sundheitsausgaben in Deutschland mit 3996 Euro pro Kopf um 43 Prozent über dem EU-Schnitt. 11,2 Prozent seines Brut- toinlandsproduktes gibt Deutschland demnach für den Bereich Gesundheit aus und damit mehr als jedes andere EU-Land. Eine Investition, die sich in Hamburg zu lohnen scheint. In Sachen Krankschrei- bungen liegt die Hansestadt nämlich acht Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Nach aktuellen Zahlen der Barmer lag der Krankenstand 2016 bei 4,45 Prozent. Heißt: Jeden Tag waren pro 1000 Beschäf- tigte 45 krankgeschrieben. Vor allem Atemwegserkrankungen sowie Muskel- und Knochenbeschwerden liegen unter dem deutschlandweiten Wert. Anders sieht es bei psychischen Pro- blemen aus. Jeder vierte krankgeschriebene Hamburger Arbeitnehmer leidet an Burn- out, Depressionen oder anderen seeli- schen Krankheiten – 21 Prozent mehr als imRest des Landes. KeinWunder, dass bei einem Teil der Gesellschaft schon seit ei- niger Zeit der Trend zu erkennen ist, mehr Eigenverantwortung für die Gesundheit zu übernehmen. Und davon kann der Sek- tor profitieren. „Das überdurchschnittlich starke Wachstum von Wertschöpfung und Be- schäftigung zeigt die dynamische Entwick- lung in diesem dienstleistungsintensiven Bereich der Branche“, sagt Elsholz. Auf- grund globaler Trends wie einem „ständig zunehmenden Gesundheitsbewusstsein“ sei absehbar, dass betriebliche Gesundheit oder Wellness- und Tourismusdienstleis- tungen auch in Zukunft an Bedeutung hinzugewinnen und somit zumWachstum der Branche beitragen würden. Trotz der vielversprechenden Ten- denz lässt sich ein akuter Fachkräfteman- gel nicht leugnen. Vor allem in der Pflege und in der medizinischen Versorgung fehlen bereits qualifizierte Fachkräfte. Auch der Hamburger Gesundheitsunter- nehmer Professor Heinz Lohmann be- zeichnet den Mangel an Pflegekräften als eine der aktuell größten Herausforderun- gen, der sich Unternehmen der Gesund- heitswirtschaft stellen müssten. „Schon heute können deswegen etli- che Stationen nicht betrieben werden. Das gilt jetzt auch für Hamburg“, sagt Loh- mann, der als Präsident den Gesundheits- wirtschaftskongress in Hamburg leitet. Die Situation bedrohe die Existenz der Kliniken und damit der gesamten Bran- che. „Da sich diese Probleme wegen der Demografie in den kommenden Jahren HEINZ LOHMANN LOHMANN konzept GmbH „Der Megatrend der nächsten Jahre wird der Wandel der Pati- entenrolle sein“ ILLUSTRATION: FILIP FRÖHLICH
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MzU5OTQ1